Rehulka: „Raiffeisen ist stärker als viele annehmen“

Johannes Rehulka hat vor knapp einem Jahr als Generalsekretär die Führung des Österreichischen Raiffeisenverbandes (ÖRV) übernommen. Wir sprachen mit ihm über Werte, Wahlen und Wertschöpfung.

Johannes Rehulka im Interview
© Natascha Unkart

Das neue Jahr 2024 hat begonnen – welche Schwerpunkte wollen Sie heuer im ÖRV setzen?
Johannes Rehulka: Der Schwerpunkt des Österreichischen Raiffeisenverbandes wird sein, die Leistungen von Raiffeisen für Österreich sichtbarer zu machen. Oftmals neigen wir dazu, nur einzelne Genossenschaften oder einzelne Bundesländer zu sehen. Wir als Österreichischer Raiffeisenverband wollen künftig verstärkt zeigen, was Raiffeisen für dieses Land leistet und welche positive Kraft die Raiffeisen-Idee auch für die Bewältigung der Herausforderungen unserer Zeit hat.

Zuletzt hat der Österreichische Raiffeisenverband gemeinsam mit dem Economica Institut einen Wertschöpfungsbericht für Raiffeisen Österreich präsentiert. Was waren die Beweggründe für diesen Bericht?
Rehulka: Wir wollen mit dem Bericht zeigen, wie sehr Raiffeisen-Genossenschaften die Wirtschaft und die Gesellschaft in ganz Österreich bewegen. Dabei wurde erstmals der volkswirtschaftliche Beitrag der Raiffeisen Bankengruppe und auch des Warensektors mit der Raiffeisen Ware Austria AG und den Lagerhäusern erfasst. Der Bericht zeigt, dass die Raiffeisen-Idee noch viel stärker ist, als viele annehmen. Raiffeisen ist nicht nur ein Eckpfeiler der österreichischen Volkswirtschaft. Raiffeisen ist mit seinen Werten auch ein Anker für Fortschritt in unserer Gesellschaft. 

Was sind die wesentlichen Ergebnisse des Wertschöpfungsberichts?
Rehulka: Der gesamtwirtschaftliche Beitrag von Raiffeisen liegt jährlich bei mehr als 13 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Das ist mehr als die Wertschöpfung der gesamten Gastronomie in Österreich. Die Raiffeisen-Gruppe sichert 93.000 Arbeitsplätze, was in etwa der doppelten Einwohnerzahl von Wiener Neustadt entspricht. Und schließlich werden 3,7 Milliarden Euro jährlich an Steuern und Abgaben bezahlt – was beinahe so viel ist wie die Mineralölsteuer in Österreich. Aber es geht uns nicht nur um die Zahlen. Es geht uns vielmehr darum, unser nachhaltiges Handeln darzustellen. 

Was konkret meinen Sie damit?
Rehulka: Raiffeisen steht für eine langfristige Förderung der Mitgliederinteressen und nicht für eine kurzfristige Gewinnmaximierung. Gewinne werden vor Ort reinvestiert und nicht an eine Konzernmutter ausgeschüttet. Dieser nachhaltige Wirtschaftskreislauf hat eine enorme Bedeutung für den Wohlstand in den Regionen. Damit verbunden sind unsere Werte der Subsidiarität und Solidarität, die für Unabhängigkeit, aber auch für Zusammenhalt stehen.
Unser höchstes Gut ist aber die Kundennähe. Mit ihr sorgen wir bei den Kunden für Vertrauen, Sicherheit und Stabilität. Das ist die Antwort Raiffeisens auf die Herausforderungen unserer Zeit.

Johannes Rehulka im Interview
© Natascha Unkart

In der breiten Öffentlichkeit wird Raiffeisen häufig nach wie vor als ein großer Konzern wahrgenommen. Die Vielfalt der Genossenschaften vor Ort wird in Medien kaum dargestellt. Wie kann man dieses Bild korrigieren?
Rehulka: Das können wir nur selbst tun – da sind wir als Raiffeisen insgesamt gefordert, von der Führungsebene bis zu jedem Mitarbeitenden. Mit dem Wertschöpfungsbericht haben wir einen ersten Schritt gesetzt. Der wird nun möglichst breit an die Mitglieder kommuniziert. Viele Bundesländer haben auch schon einen eigenen Bundeslandbericht bei uns in Auftrag gegeben. In weiterer Folge wird es aber darum gehen, die Raiffeisen-Idee als Lösung für aktuelle Herausforderungen zu präsentieren. 

Wie soll das geschehen?
Rehulka: Wir planen in diesem Jahr wieder einige Diskussionsformate, bei denen wir auch öffentlichkeitswirksam diese Themen besetzen werden. Am 27. Juni findet etwa der Raiffeisentag in Alpbach/Tirol statt. Da wollen wir diesmal ein starkes Zeichen für unsere genossenschaftlichen Werte und deren Relevanz für die Herausforderungen der Gegenwart setzen.

Der ÖRV ist auch die Interessensvertretung für die Raiffeisen-Gruppe. 2024 ist ein Superwahljahr mit Nationalratswahl und EU-Wahl. Inwieweit müssen in einem Jahr wie heuer die Bemühungen intensiviert werden?
Rehulka: Die Kommunikation mit politischen Entscheidungsträgern ist unser Tagesgeschäft, insofern ist ein ständiger Austausch für uns selbstverständlich. Ein ehemaliger Wiener Bürgermeister hat einmal Wahlkämpfe als Zeiten fokussierter Unintelligenz bezeichnet. In solchen Zeiten kommt es schon vor, dass wir unsere Anliegen verstärkt vertreten müssen.   

Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt nicht nur die Politik, sondern auch immer mehr die Unternehmen. Auch im Raiffeisensektor gewinnt das Thema an Bedeutung. Welches Angebot hat der ÖRV hier für seine Mitglieder? 
Rehulka: Wir als Österreichischer Raiffeisenverband fokussieren uns auf die Unterstützung unserer Mitglieder. Und einen Schwerpunkt haben wir dabei im Bereich der Nachhaltigkeitsberatung gesetzt.
Erstmals ist es gelungen, ein branchenübergreifendes Projekt zur Beratung der Banken, der Warenunternehmen sowie der Uniqa aufzusetzen, bei dem offene Auslegungsfragen zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung einheitlich beantwortet werden. Diese Beratung spart unseren Mitgliedern Beratungskosten und bringt eine einheitliche Anwendung im Sektor. Ein echter Mehrwert für Raiffeisen.

Johannes Rehulka im Interview
© Natascha Unkart

Und die Revision wird künftig neben den Jahresabschlüssen auch die Nachhaltigkeitsberichte prüfen. Welche Vorbereitungen laufen für diese zusätzlichen Prüfungsleistungen?
Rehulka: Die Revision bereitet sich bereits seit Längerem auf diese neue Prüfungsleistung der Nachhaltigkeitsberichte vor. Viele Mitglieder haben das Angebot einer freiwilligen Prüfung der ÖRV-Revision bereits in Anspruch genommen, damit sie gut vorbereitet in das nächste Jahr gehen. 

Wie kann Raiffeisen Österreich einen Beitrag zur nachhaltigen Transformation unserer Wirtschaft leisten?
Rehulka: Wer, wenn nicht Raiffeisen, sorgt für eine nachhaltige Transformation unserer Wirtschaft? Mit ihrer Tätigkeit vor Ort bringen die Raiffeisen-Genossenschaften ein Handeln ohne Gewinnmaximierung mit Umweltschutz und sozialem Ausgleich in Einklang. Ganz im Sinne der ökosozialen Marktwirtschaft. Insoweit macht Raiffeisen schon lange, was Regulatoren und Unternehmensberater in diesem Bereich nun einfordern. Jetzt gilt es, die gelebte Raiffeisen-Praxis entsprechend den Vorgaben darzustellen.

Mit dem Raiffeisen Genius Award hat der ÖRV erstmals einen Wettbewerb für innovative genossenschaftliche Ideen gestartet. Was erhoffen Sie sich davon?
Rehulka: Mit dem Genius Award 2024 wollen wir die Wesensmerkmale von Genossenschaften stärker ins Bewusstsein rufen und auch neuen Ideen für Kooperationen in Form von Genossenschaften eine Bühne geben. Da soll der Genius Award 2024 einen Beitrag leisten. Das Preisgeld ist mit bis zu 15.000 Euro äußerst attraktiv. Alle Mitglieder können das Werbematerial des ÖRV zur Unterstützung des Genossenschaftsthemas einsetzen. Wir sind jedenfalls schon gespannt, welche innovativen Ideen eingereicht werden. 

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen 2024 für Raiffeisen?
Rehulka: Raiffeisen muss den Optimismus bewahren und darf sich nicht von Schwarzmalerei anstecken lassen. Raiffeisen hat immer gestaltet, gerade wenn die Zeiten herausfordernd waren. Mit unserer Kundennähe und unserer regionalen Ausrichtung treffen wir den Puls der Zeit. Es ist also auch 2024 alles für ein erfolgreiches Raiffeisenjahr angerichtet. Es liegt an uns, das Beste daraus zu machen.