Es ist, wie es ist. Aber es wird, was du daraus machst. – Unter diesem vielzitierten Spruch kann man die Informationstagung des Österreichischen Raiffeisenverbandes (ÖRV) kurz zusammenfassen. Mehr als 100 Spitzenfunktionäre und Geschäftsleiter aus allen Sparten und Bundesländern sowie Manager der Verbundunternehmen kamen in Salzburg zusammen, um zwei Tage lang zu sehen, hören und diskutieren, was man daraus machen kann.
„Die Zeiten können wahrlich als dynamisch bezeichnet werden, aber gemeinsam vermögen wir mehr als jeder Einzelne. Raiffeisen steht für Innovation, Mut und Verantwortung“, ist Raiffeisen-Generalanwalt Erwin Hameseder von den genossenschaftlichen Grundprinzipen überzeugt.
Raiffeisen könne mithelfen, die Resilienz in Österreich auszubauen, die regionale Wertschöpfung zu fördern und die Zukunft aktiv zu gestalten. „Wir sollten auch neue Ideen zulassen und uns auf alle denkbaren Szenarien vorbereiten“, fordert Hameseder. Der Weitblick sei in volatilen Zeiten wichtiger denn je. Eine wichtige Rolle kommt dabei den Funktionären zu. „Wir brauchen starke Persönlichkeiten mit einem guten Werteprofil, die Verantwortung tragen und Entscheidungen treffen, kontrollieren und gegebenenfalls auch verteidigen können“, nennt Hameseder wichtige Eigenschaften für Eigentümervertreter. Um als Sparring-Partner auftreten zu können, müsse Raiffeisen die Bildungsrichtlinie der Bankengruppe auf alle Sparten ausdehnen. „Nur best-ausgebildete Funktionäre sind gute Eigentümervertreter“, betont Hameseder – auch als Reaktion auf die aktuelle Baywa-Problematik.
„Wir Spitzenfunktionäre sind dafür verantwortlich, dass die Genossenschaft funktioniert“, erklärt auch Erich Zauner, Obmann des Raiffeisenverbandes Salzburg (RVS). Um diese Rolle auszufüllen, brauche es ein breites Verständnis für die vielen unterschiedlichen Menschen und Aufgaben, die sich unter dem Giebelkreuz vereinen. „Unsere genossenschaftlichen Prinzipien verpflichten uns, dass wir unsere Häuser nicht bloß als Kreditinstitute oder Handelsbetriebe verstehen, sondern als regionaler Nahversorger in der jeweiligen Sparte“, unterstreicht Zauner und ergänzt: „Wir fordern und fördern die regionale Wirtschaft, aber auch Bildung, Kultur, Sport und Soziales. Wir tragen dafür Sorge, dass die Regionen in ganz Österreich mit den Mitteln versorgt werden, die sie für Prosperität benötigen.“
UN-Jahr als Mut-Injektion
Raiffeisen zukunftsfit zu machen, ohne zu wissen, wie die Zukunft genau ausschaut, das ist dem ÖRV im Internationalen Jahr der Genossenschaft ein großes Anliegen. Gerade die Mitgliedschaft als ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zum Mitbewerb wird heuer stärker in den Fokus gerückt. Mit neuen Mitgliedern könne man neue Ideen aufnehmen, das sei die Basis für „kollektive Lösungsfinder“, so Erwin Hameseder.
Spätestens im Juni soll erstmals die soziale Verantwortung der Raiffeisen-Bankengruppe Österreich in einem Sozialbericht schwarz auf weiß dokumentiert sein – ein „Megaprojekt“, wie ÖRV-Generalsekretär Johannes Rehulka betont, aber: „Wir müssen das Internationale Jahr der Genossenschaften, diese Weltbühne, als einmalige Chance gemeinsam nutzen.“
Es sei eine „Mut-Injektion“, um sich dem Thema Genossenschaft wieder mehr zu widmen und die ursprünglichen Wurzeln ernst zu nehmen, auch um zukünftige Arbeitskräfte leichter zu finden. Geplant sind dazu bundesweite Online-Schulungen für Mitarbeiter zum Thema Genossenschaft und Mitgliedschaft. Darüber hinaus wird es eine Informationskampagne an die breite Bevölkerung geben, um das Wissen über Genossenschaften zu erhöhen. Aktuell wissen nämlich nur vier von zehn Österreichern, dass Raiffeisen als Genossenschaft organisiert ist.
Lokale Lösungen
Ohne dass es viele wissen, liegen Genossenschaften aktuell klar im Trend, wie Daniel Dettling vom Institut für Zukunftspolitik analysiert. Die Daten der Vergangenheit zeigen, dass demokratische Systeme ein höheres BIP-Wachstum generieren, aber wird das auch in Zukunft so sein? Der Zukunftsforscher betont mit Hinblick auf die aktuelle Omni-Krise: „Krisen sind notwendige Störungen zur Verbesserung instabiler komplexer Systeme. Man sollte gute Krisen nicht verschwenden.“ Mit Optimismus und Konnektivität könne eine resiliente Welt entstehen.
Generell entsteht zu jedem Trend auch ein Gegentrend, so ist etwa der Neo-Nationalismus die Reaktion auf die Globalisierung. Die Zukunft gehöre der „Glokalisierung“, also global denken und lokal handeln. Ähnlich wie UN-Generalsekretär António Guterres zu Beginn des UN-Genossenschaftsjahres erklärte: „Genossenschaften zeigen, wie wichtig es ist, regional zusammenzustehen, um Lösungen für globale Herausforderungen zu finden.“
Dettling sieht in der „Wir-Ökonomie“ die Antwort auf die großen globalen Herausforderungen: Demografie, Dekarbonisierung, Digitalisierung und Demokratie. Kooperationen seien gefragt, wenn es um Wohnen, Arbeiten, Energie, Mobilität und Soziales geht. „Genossenschaften sind Ökosysteme, das ist der Unterschied zu anderen Wirtschaftsformen“, unterstreicht Dettling und sieht großes Potenzial von den Schülergenossenschaften bis hin zu regionalen Gesundheitszentren und Pflegegenossenschaften. „Die Nachfrage nach Genossenschaften wird steigen. Es muss dabei gelingen, sich als ‚Sinn-Fluencer‘ darzustellen, denn Unternehmen, die keinen Sinn stiften, werden vom Markt verschwinden“, so der Trendforscher.
Regional und digital
Das Zusammenspiel von Trend und Gegentrend lässt sich besonders gut im Bankgeschäft von Raiffeisen erkennen. Während immer mehr Kunden digitale Angebote zur Erledigung der Bankgeschäfte nutzen, ist auch die persönliche Beratung und die regionale Präsenz einer Raiffeisenbank entscheidend – und das nicht nur in Österreich. So berichtet Johann Strobl, CEO der Raiffeisen Bank International, von einem Vertriebsschwerpunkt in Rumänien, wo die physische Beratung mittels Tablet zum Riesenerfolg geworden sei. Auch wenn die Geopolitik die RBI seit dem Ukrainekrieg intensiv beschäftigt, habe man die Kunden nie aus dem Fokus verloren.
„Die Anzahl der Kunden ist der wichtigste Erfolg. Bei Neukunden ist uns viel gelungen“, berichtet Strobl. Sein einfaches Erfolgsrezept: „Die richtigen Dinge weitermachen, die nicht richtigen weglassen.“ Seit einem Jahr beschäftigt sich die RBI deshalb intensiv mit Künstlicher Intelligenz und heuer will man zudem kostenbewusster agieren – aufgrund des sinkenden Zinsüberschusses.
Natürlich wurde Strobl auch auf das jüngste Gerichtsurteil in Russland angesprochen, welches die RBI mehr als zwei Milliarden Euro kosten könnte. Er beruhigt: „Auf den Kern der RBI hätte das keine Auswirkungen, aber es ist schon eine Beschäftigung für die Juristen.“ An ein schnelles Ende des Krieges durch den neuen US-Präsidenten glaubt Strobl nicht, würde sich in diesem Fall aber gerne irren.
Die Raiffeisenbankengruppe Salzburg stellt heuer ebenfalls die Kunden und die Digitalisierung in den Fokus. „In der technischen Entwicklung des Geschäfts werden wir uns mehr anstrengen müssen. Frontrunner werden wir nie sein, aber Fast-Follower sollte das Ziel sein“, so RVS-Generaldirektor Heinz Konrad. Die Migration in das bundesweite IT-System habe im Vorjahr viele Ressourcen gebunden, die man heuer wieder in Richtung Kunden lenken will. Im Vergleich zum Mitbewerb stellt Konrad fest: „Die Kostenführerschaft ist mit unserer Struktur nicht möglich, aber durch die Nähe zum Kunden haben wir immer deutlich bessere Erträge erwirtschaftet.“ Diese Kundennähe will man heuer wieder verstärkt suchen. Zusätzlich erarbeite man gerade proaktive Risikosysteme, vor allem mit Blick auf Immobilienfinanzierungen. Bundesweit stärker zusammenstehen will Konrad gegenüber den Regulierungsbehörden in Brüssel und Frankfurt, denn „Proportionalität ist mittlerweile eine reine Worthülse. Man ignoriert, dass wir mit unserer Dreistufigkeit immer stabil waren.“
Kraftakt am Land
Eine positive Entwicklung und ein „außerordentlich gutes Ergebnis“ hat die Raiffeisen Lagerhaus Salzburg GmbH erwirtschaftet, die im Vorjahr aus dem Raiffeisenverband Salzburg ausgelagert wurde. „Ein Unikum, denn die meisten Genossenschaften im Warenbereich haben Probleme“, berichtet Konrad. Bei der Raiffeisen Ware Austria (RWA) sind seit zwei Jahren alle fünf Sparten unter Druck.
„Es gibt eine Liste von Hausaufgaben, die wir zu erledigen haben, um wieder auf die betriebswirtschaftliche Erfolgsspur zu kommen“, erklärt Johannes Schuster, seit 1. Dezember 2024 RWA-Generaldirektor, in seiner Videobotschaft. Als „echten Kraftakt“ bezeichnet Schuster, dass es in 2024 noch gelungen ist, die strategische Allianz mit der Baywa zu beenden und deren 50-Prozent-Anteil an der RWA zu Raiffeisen zurückzuholen. Durch das Wir im Verbund sei man „souverän“ aus der Situation mit der Baywa herausgekommen, so Schuster. Der Baywa-Rückkauf komme jedoch mit vielen Sonderprojekten an, die die RWA in den nächsten Monaten und Jahren intensiv beschäftigen werden. Generell will Schuster, dass man spürt, warum es die RWA als Verbundspitze braucht. Eine engere Zusammenarbeit mit den restlichen Bundesländern ist ebenfalls geplant. Man sei noch in „den Anfangsüberlegungen“, aber die Hände seien „sehr weit ausgestreckt“, sagt Schuster und bedankte sich dafür.
RWA-Aufsichtsratsvorsitzender Michael Göschelbauer hat die vergangenen Monate ebenfalls als sehr fordernde Zeit erlebt, aber wie er betont: „Jede Krise ist auch eine Chance.“ Nach zwei Jahren Wettbewerbsverbot stehe der „RWA neu“ schließlich Deutschland als neuer Markt zur Verfügung. Auch bei der engeren Kooperation im österreichweiten Lagerhausverbund ortet Göschelbauer noch große Potenziale.