Raul Santos: „Mein Ziel: ein Titel mit den Füchsen“

Raul Santos gehört zu den schillerndsten Typen des heimischen Handballs. Seit Sommer 2022 geht der 89-fache Nationalspieler für die BT Füchse auf Torjagd und soll dabei das Team aus der Steiermark auf das nächste Level hieven. Eine Aufgabe, für die der 31-Jährige brennt.

Raul Santos in Action
© GEPA pictures/ Johannes Friedl

Die Überraschung war groß im Sommer 2022, als die BT Füchse, die zwei Jahre zuvor aus einem Zusammenschluss der Traditionsvereine HC Bruck und ATV Trofaiach entstanden waren, Raul Santos unter Vertrag nahmen. Schließlich war der Außenspieler zuvor neun Jahre in der deutschen Handball-Liga unterwegs und stand bei Top-Klubs wie THW Kiel oder dem VfL Gummersbach unter Vertrag. Dabei nutzte der Klub, der seit der Fusion von der Raiffeisenbank Leoben-Bruck gesponsert wird, die Gelegenheit, dass der in der Dominikanischen Republik geborene Werfer mit seiner Familie zu seinen österreichischen Wurzeln in der Steiermark zurückkehren wollte. Im Interview spricht er über Ziele und Visionen mit den Füchsen.

Ihr seid mit einer knappen Niederlage und drei Siegen in die Saison der Handball Liga Austria (HLA) gestartet. Entspricht das den Erwartungen?
Raul Santos: Definitiv! Wir haben uns im Sommer gut verstärkt und stellen ein Team mit viel Potenzial. Das haben die drei Siege auch gezeigt. Wobei: Es hätten auch acht statt sechs Punkte sein können, die Niederlage gegen Schwaz war knapp und unnötig (Anm.: 33:34). Wir sind eine Mannschaft, die sich in der Liga vor keinem Gegner verstecken muss.

Vergangene Saison war der Klub nach dem Grunddurchgang Achter und scheiterte im Play-off-Viertelfinale am damaligen Meister Krems. Ist in diesem Jahr noch mehr drin?
Santos: Im Gegensatz zu Ligen wie Deutschland wird hier der Titel in Play-offs vergeben. Das ist spannend, bedeutet aber, dass du auch das Glück brauchst, in den entscheidenden Spielen eine gute Form und kein Verletzungspech zu haben. Deswegen sage ich: Unser Ziel ist es, in die Top 8 und somit in die Play-offs zu kommen. Ab dann kann man sich nur darauf konzentrieren, einen guten Job zu machen und es so weit wie möglich zu schaffen. 

Der Klub spielt in seiner jetzigen Konstellation erst seit 2021 in der höchsten Liga und stand vergangene Saison auch im Cup-Finale. Ist man somit deutlich vor der eigenen Erwartungshaltung?
Santos: Auch wenn wir das Endspiel leider verloren haben, war der Cup für uns schon eine coole Sache! Diesen Erfolg zu wiederholen, haben wir schon im Kopf. Der Verein hat zuletzt viel investiert und damit auch gezeigt, dass man den Erfolg will. Das Fundament passt, darauf müssen wir jetzt weiter etwas aufbauen. 

Sie selbst sind mit 26 Toren in den ersten vier Spielen zweitbester Werfer des Teams und haben als erfahrener Spieler die Aufgabe, als Leadertyp vorneweg zu marschieren. Wie definieren Sie Ihre Rolle?
Santos: Die Beschreibung ist schon richtig. Mir ist bewusst, welchen Rucksack ich hier trage. Das kommt ganz automatisch, wenn man im Handball so viel erlebt hat wie ich. Ich soll und will mit meiner Erfahrung das Team führen, was aber nicht bedeutet, dass ich hier alles alleine regeln soll. Es stehen immer sieben Leute auf dem Parkett, da muss jeder Verantwortung übernehmen. Es kann nur funktionieren, wenn jeder zu 100 Prozent seine Aufgabe erfüllt, das ist die Herausforderung. 

Kommt es oft vor, dass junge Spieler zu Ihnen kommen und Sie um einen Rat bitten?
Santos: Na klar, zu mir kann immer jeder kommen, das wissen die Jungs auch. Gerade was meine Position (Anm.: Linksaußen), kann ich ihnen natürlich viel vermitteln. Technik, Athletik, Würfe, all diese Dinge. Ich bin generell ein Typ, der offen ist und seine Erfahrungen gerne weitergibt. Es ist schön zu sehen, wenn diese Ratschläge dann auch angenommen werden.  

Sie selbst haben sich im Sommer 2022 nach neun Jahren in Deutschland, wo ja die beste Liga der Welt zu Hause sein soll, entschlossen, nach Österreich bzw. in Ihre steirische Heimat zurückzukehren. Welche Überlegung steckte dahinter?
Santos: Die Familie steht bei mir immer an erster Stelle, das wird auch immer so sein. Meine österreichischen Wurzeln liegen in der Steiermark, ich wollte meinen beiden Kindern die Möglichkeit geben, auch mit ihren Großeltern aufzuwachsen. Außerdem wurde meine Tochter vergangenes Jahr eingeschult, das war also ein guter Zeitpunkt. Als die Anfrage der Füchse kam, war das Gesamtpaket entscheidend. Zum einen das Private, aber auch, dass die sportlichen Ambitionen stimmen.

Kiel, Gummersbach, Leipzig – Fällt dann der Schritt in eine kleinere Liga und zu einem logischerweise kleineren Verein sportlich dennoch schwer?
Santos: Ganz einfach ist es nicht, der sportliche Ehrgeiz ist ja immer da. Ich wusste aber genau, worauf ich mich einlasse und denke, dass das jeder mit sich selbst ausmachen muss. Ich finde auch den Vergleich unfair, Österreich ist einfach ein kleineres Land mit einem anderen System. Von der Grundidee, hier ein steirisches Vorzeige-Team aufzubauen, das auch den großen Klubs der anderen Bundesländer die Stirn bieten kann, finde ich das Projekt schon toll. Und da soll ich eben ein Mosaikstein sein, das hat mich sehr gereizt. Wenn ich sehe, wie engagiert hier alle sind, wie sie mitziehen und hart arbeiten – da habe ich überhaupt kein Problem, mich zu motivieren.

Man spürt, wie sehr Sie sich damit identifizieren.
Santos: Voll! Ich hätte nach neun Jahren in Deutschland auch sagen können: Ich gehe jetzt wohin, wo ich eine ruhige Kugel schieben und es mir entspannt machen kann. Oder: Ich lasse mich auf etwas ein, bei dem ich genau weiß, wofür ich mich jeden Tag im Training quäle. Das war hier der Fall. 

Sie sind mit dem THW Kiel deutscher Pokalsieger geworden. Sticht dieser Titel aus Ihrer Zeit in Deutschland heraus?
Santos: Pokalsieger mit Kiel – das war mega! Wenn man weiß, wie sich so etwas anfühlt, will man so etwas unbedingt nochmal erleben. Das ist etwas, was ich gerne mitnehmen würde: ein Titel mit den Füchsen. Ein Traum! Außerdem fehlt mir ein Titel in Österreich noch in meiner Vita.

Sie haben 89 Länderspiele absolviert, stehen mit 308 Toren auf Rang 13 der ewigen Bestenliste österreichischer Schützen. Zuletzt waren Sie nicht mehr dabei. Spielt das Thema Nationalteam noch eine Rolle?
Santos: Es ist nicht wirklich ein Thema. Mit meinem Wechsel nach Österreich habe ich ein Zeichen gesetzt, dass ich andere Prioritäten habe. Mein Spiel lebt stark von der Fitness, ich profitiere derzeit davon, mehr Zeit zu haben, die ich in meinen Körper investiere. Außerdem durfte ich unglaublich viel mit dem Nationalteam erleben, war bei Welt- und Europameisterschaften dabei, stand mit tollen Spielern auf dem Parkett. Jetzt gibt es andere Spieler auf meiner Position, die die Chance bekommen sollen. Wobei ich auch sage …

Ja?
Santos: Man weiß nie, was kommt, wer sich verletzt und welche Dynamiken sich ergeben. Wenn wirklich mal Not am Mann ist und ich aushelfen soll, können wir darüber reden.

Die Frage zielte auch darauf ab, dass im Jänner die Europameisterschaft in Deutschland stattfindet. Das könnte Sie ja reizen.
Santos: Klar, wäre das reizvoll. Ich sage aber auch: Die Qualifikation wurde von den aktuellen Spielern geschafft, die sollen dann auch in den Genuss kommen, das Turnier zu bestreiten. Ich lasse alles auf mich zukommen und mache mir da überhaupt keinen Stress.

Die Füchse stehen nicht nur für erfolgreichen Handball, sondern auch für Themen wie Nachhaltigkeit oder Umweltschutz. Ist das als Spieler wichtig für Sie oder konzentrieren Sie sich nur auf den Sport?
Santos: Auf jeden Fall ist das für mich ein großes Thema. Aber nicht nur das, der Verein steht ja auch für gute Arbeit im Nachwuchsbereich, kooperiert mit Schulen und bietet viel für Kinder und Jugendliche an. Ich trainiere zum Beispiel bei der U11 oder U9 und gehe in Schulen, um Kids für Handball zu begeistern. Das halte ich für einen ganz wichtigen Teil des Ganzen.