Smart investieren in die Energiewende

Die Energiewende ist in aller Munde. Welche Trends die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit bestimmen und wie Anleger davon profitieren können, erklärt RCM-Fondsmanager Hannes Loacker.

Das Nützliche mit dem Notwendigen verbinden – dieser Grundgedanke liegt der wachsenden Bedeutung der Energiewende auf den Kapitalmärkten zugrunde. In den kommenden Jahrzehnten sollen astronomische Summen in die nachhaltige Transformation investiert werden. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt den globalen jährlichen Investitionsbedarf, um das Nullemissionsziel zu erreichen, allein in der Photovoltaik und Windenergie auf rund 1.000 Milliarden Euro. Von dieser Entwicklung können auch Anleger profitieren. „Damit wir wirklich aus den fossilen Energiequellen rauskommen, muss auch in viele Bereiche abseits der erneuerbaren Energien investiert werden“, betont Hannes Loacker, Fondsmanager bei Raiffeisen Capital Management (RCM). 

Um den Klimawandel zu bremsen, sieht das Pariser Klimaabkommen das Zwei-Grad-Ziel bis zum Jahr 2100 vor. Ziel ist es, die globale Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius gegenüber den vorindustriellen Werten zu begrenzen. Dafür dürfen weltweit nur noch 600 Gigatonnen an Treibhausgasen emittiert werden. Der aktuelle Verbrauch sei allerdings so hoch, dass das offene Restbudget bereits in wenigen Jahren erschöpft sein werde, warnt Loacker. Daher gelte es, die Emissionen rasch und deutlich zu reduzieren. „Wir werden die Treibhausgase nur in den Griff bekommen, wenn wir die Energiewende konsequent vorantreiben und politische Maßnahmen noch nachschärfen“, so der Energieexperte. Aktuell liege die Erderwärmung bei rund 1,2 Grad Celsius im Vergleich zum Referenzwert der vorindustriellen Zeit. Der Energiesektor sei für zwei Drittel aller Treibhausgase verantwortlich – mit weiter steigender Tendenz. Allein die Stromnachfrage dürfte Schätzungen zufolge bis zum Jahr 2050 um 75 Prozent zunehmen. Daher müsste gerade in diesem Bereich angesetzt werden. „Zukunftsorientierte Energieerzeugung und -förderung sowie verantwortungsvolles Energiemanagement sind das Gebot der Stunde“, unterstreicht Loacker.

Investitionsmöglichkeiten

Mit gezielten Veranlagungsstrategien auf Basis nachhaltiger Kriterien können Anleger den Kampf gegen die Erderwärmung unterstützen. Konkret geht es um Unternehmen aus den Themenspektren erneuerbare Energie, Energiedistribution, Energieeffizienz, Energiemanagement, Energiespeicherung und Transport. Im Fokus steht dabei die Transformation zur kohlestofffreien Wirtschaft („low carbon economy“). So bieten sich etwa bei der Elektromobilität Investitionsmöglichkeiten auch abseits der Autobauer, nämlich bei den Zulieferern von Schlüsseltechnologien an. Dazu zählt Loacker etwa den Halbleiterhersteller Infineon: „Denn der Halbleiteranteil im Auto steigt mit dem Elektrifizierungsgrad.“ Der Verbrennungsmotor stehe in der EU ab dem Jahr 2035 vor dem Aus. „Es geht in Richtung E-Mobilität, daran führt kein Weg mehr vorbei.“ Das sollten auch Anleger bei ihren Investmententscheidungen mitberücksichtigen.

Porträt von Hannes Loacker
Hannes Loacker (c) RCM/Roland Rudolph

Loacker: „Viele der entsprechenden Branchen sind geprägt von Wachstumschancen. Das wiederum erhöht die Aussicht auf attraktive Renditen. Dies betrifft auch den Wasserstoff – sowohl als alternativen Kraftstoff als auch als Langzeitspeicher für Wind- und Solarenergie – ebenso wie effizientere und kostengünstigere Batterien für Elektrofahrzeuge.“ So soll laut EU-Wasserstoffstrategie die operative Kapazität bis zum Jahr 2030 von aktuell 0,2 auf 40 GW steigen. 

Darüber hinaus sind die ehrgeizigen Klimaziele des Pariser Klimaabkommens bzw. des EU-Green-Deals nur zu erreichen, wenn die Investitionen zur Erhöhung der Energieeffizienz bei Gebäuden deutlich ausgeweitet werden. „Aktuell sind zum Beispiel in der EU 35 Prozent der Gebäude über 50 Jahre alt und 75 Prozent gelten als energieineffizient. Im Rahmen einer Renovierungsoffensive in der EU sollen bis 2030 jährlich zusätzlich 275 Mrd. Euro an Investitionen in diesem Bereich getätigt werden. Davon können Industrie- und IT-Unternehmen, die in Bereichen wie Wärmedämmung oder elektrische und digitale Gebäudeinfrastrukturen tätig sind, profitieren“, zeigt Loacker auf. 

Einen ordentlichen Fortschritt gab es in der Solarindustrie: Die Kosten seien in den vergangenen Jahren um bis zu 85 Prozent gesunken. „Die Stromproduktion aus Photovoltaik, aber auch jene aus On-Shore-Windparks ist mittlerweile günstiger als jene aus fossilen Brennstoffen“, berichtet der Energieexperte. Bei jeder Verdoppelung der kumulativen Kapazitätskosten ging diese von 1976 bis 2018 durchschnittlich um etwa 23 Prozent runter. Deshalb erwartet Loacker, dass nach der coronabedingten Verschnaufpause im Vorjahr aufgrund von steigenden Rohstoffpreisen und Lieferkettenproblemen die Kosten weiter fallen sollten. Dagegen zeichne sich bei den fossilen Energieträgern eine gegenteilige Energiekosten-Entwicklung ab, etwa durch eine CO2-Besteuerung. 

Mehr Tempo bei Genehmigungen

Der Vorteil der erneuerbaren Energie zeige sich auch in kürzeren Projektzeiten. Im Schnitt dauere das Aufstellen von Photovoltaik-Freiflächen zwischen 6 und 9 Monaten und von Windparks zwischen 9 und 18 Monaten. Diese seien im Vergleich zu fossilen Stromproduktionsanlagen oder gar Atomkraftwerken deutlich kürzer. Allerdings sieht Loacker hier auch einen großen Handlungsbedarf für die Politik. Mehr Tempo bei strategischen Überlegungen und vor allem bei den Genehmigungsverfahren seien im Wettlauf mit dem Klimawandel essenziell. So habe Österreich erst heuer im Juni die nationale Wasserstoffstrategie vorgestellt. Da waren andere Länder wie Deutschland um über ein Jahr schneller, kritisiert Loacker. Darüber hinaus müsse sich die Politik mehr für die Akzeptanz von allen Formen der erneuerbaren Energien in der Bevölkerung engagieren, fordert Loacker mit dem Hinweis, dass es zum Beispiel in Westösterreich kaum Windräder gebe.

Wenig Verständnis hat der Energieexperte auch für konterkarierende Entscheidungen der EU beim Green Deal wie das Einstufen der Kernenergie als „grün“. „Wir lehnen Atomkraft ab, denn es geht um eine nachhaltige Entwicklung, um die Bedürfnisse der heutigen Generation zu decken, ohne jene der künftigen Generationen einzuschränken“, so Loacker. So sei das Thema Endlagerung von Atommüll nach wie vor ungelöst und stelle auch ein massives Sicherheitsrisiko dar. 

Investmentprozess

Für die Anleger hält Loacker fest, dass bei den investierbaren ESG-Titeln Europa führend sei. Dabei gelte es zu beachten, dass der Prozess eines ESG-Fondsinvestments etwa im Bereich Smart Energy von den Investment-Guidelines des jeweiligen Produktes abhänge. „Beim Raiffeisen-Smartenergy-ESG-Aktienfonds ist dort – neben vielem anderen – klar definiert, wie hoch der Mindestumsatz des Unternehmens im Bereich Smart Energy sein muss – mindestens 20 Prozent. Daher screent das Fondsmanagement zuerst das Anlegeruniversum hinsichtlich seiner Umsätze in diesem Bereich und legt dann den hauseigenen ESG-Indikator an“, beschreibt Loacker das Auswahlverfahren. Unternehmen mit Atomstrom, Kohle-, Gas- oder Ölproduktion würden nicht ins Portfolio aufgenommen. Die Letztentscheidung falle auf Basis einer Fundamentalanalyse, bei der die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen den dominanten Faktor bilden. 

Die sorgfältige Titelauswahl bewirkt, dass Investments in Raiffeisen-Smartenergy-ESG-Aktien im Vergleich zu konventionellen Energiefonds einen deutlich geringeren CO2-Fußabdruck hinterlassen. Der Fonds ist im April 2020 mit 8 Mio. Euro gestartet und liegt aktuell bei einem Volumen von rund 330 Mio. Euro.

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