Thomas Wass: „Wir wollen die Marktführerschaft“

Thomas Wass ist seit 1. Mai neuer Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen-Landesbank Tirol und verfolgt eine klare Wachstumsstrategie. Das neue RAIQA soll zusätzlichen Schub geben, um in Innsbruck die Nummer eins zu werden.

Sie sind seit 1. Mai neuer Vorstandsvorsitzender bzw. Generaldirektor der RLB Tirol. 
Thomas Wass: Vorstandsvorsitzender, bei uns gibt es keinen Generaldirektor. Wir sind ein gleichwertiges Vorstandsteam und einer hat eben den Vorsitz.

Sie sind schon seit 2016 im Vorstand. Wie war die erste Phase in der neuen Position?
Wass: Die Übergangsphase war sehr unkompliziert, das ist meinem Vorgänger Reinhard Mayr zu verdanken, weil er loslassen konnte. Seit Anfang des Jahres hat er uns viel freien Raum gelassen und wir konnten schon in der neuen Vorstandskonstellation, mit Gabriele Kienast und Christof Splechtna, werken.

Hat es irgendwelche Überraschungen gegeben? 
Wass: Nein. Es macht einfach große Freude. Neu ist für mich die Arbeit in der Kooperationsgenossenschaft und man steht stärker in der Öffentlichkeit. Das ist aber auch notwendig, weil wir eine Wachstumsstrategie verfolgen und da heißt es, Präsenz zu zeigen.

Sie haben den Vorsitz der RLB Tirol mit Rekordergebnis übernommen. Wie ist das 2024 gelungen?
Wass: Wir haben von einem guten Zins- und Dienstleistungsergebnis sowie unserem gesunden Kreditportfolio profitiert. Wir hatten kaum Ausfälle. Dazu hat unsere größte Beteiligung, die RBI, eine ordentliche Dividende ausgeschüttet. Wir sind gut aufgestellt und der breite Branchenmix der Tiroler Wirtschaft hat uns auch geholfen.  

Warum ist das Kreditportfolio so gesund?
Wass: Wir waren in der Vergabe immer vorsichtig. Als Beispiel: Bei Bauträgern haben wir immer Eigenmittel verlangt. Wir waren in der Hochphase nicht übertrieben offensiv, dadurch leiden wir jetzt im Abschwung auch nicht so stark wie andere. 

Sie haben bei der Generalversammlung eine Wachstumsstrategie angekündigt. Wo will man wachsen?
Wass: Wir wollen in allen Kundensegmenten, also bei Privatkunden, Geschäftskunden, im Private Banking und bei Firmenkunden, wachsen. Unsere klare Ansage: Wir wollen die Nummer eins in Innsbruck und unseren Marktgebieten werden. Wir haben eine sehr offensive Strategie und auch unsere Vertriebstöchter wie Versicherungsagentur, -makler oder Raiffeisen Immobilien Tirol auf einen sehr stringenten Wachstumskurs eingeschworen.

Wie groß ist das Potenzial?
Wass: Wir haben uns verschiedene Ziele gesetzt, etwa bei Privatkunden wollen wir jährlich um mehr als 5.000 Kunden wachsen. Wir haben das gleiche Thema wie die meisten Landesbanken: Raiffeisen ist im ländlichen Bereich extrem stark, aber im städtischen Bereich tun wir uns noch etwas schwer. Wir wollen das jetzt ändern und deutlich Marktanteile gewinnen, aber auch das Potenzial bei Bestandskunden noch besser nutzen. Wir müssen wachsen. Wir brauchen die Erträge, damit wir unser Eigenkapital stärken können. 

Will man auch kostenseitig einsparen?
Wass: Dem Thema Betriebseffizienz widmen wir uns auch sehr stark, um Ressourcen für neue innovative Themen und unsere Kunden freizuschaufeln. Wir brauchen wieder eine stärkere Kundenzentrierung. In den vergangenen Jahren sind wir eine IT-Regulatorik-Risiko-getriebene Organisation geworden. Das ist nachvollziehbar, aber das tut uns auf Dauer nicht gut. Unsere Vertriebskraft hat die letzten Jahre gelitten. Wir müssen wieder eine risikobewusste, kundenzentrierte Vertriebsorganisation werden.

Bis wann will man die Wachstumsziele erreichen? 
Wass: Bis 2029. Wir machen bis Ende des Jahres alle Vorbereitungen und gehen dann in die Umsetzung. Wenn es uns gelingt, die Organisation mehr auf Richtung Kunden auszurichten, dann können wir eine Wachstumsgeschichte hinlegen. Mit ein Grund, warum wir jetzt den richtigen Zeitpunkt für eine Wachstumsstrategie sehen, ist natürlich auch das neue RAIQA, das der Place-to-be in Innsbruck werden wird. In dem hybriden Gebäude sind wir Bank und Gastgeber für ein Hotel und andere Shops. Wir werden auch alle anderen Bankstellen in Richtung Gastgeber neugestalten.

RLB-Tirol-Vorstand Thomas Wass zeigt Elisabeth Hell die Raiqa-Baustelle
Thomas Wass erklärt bei einem Baustellenrundgang das hybride Gebäudekonzept von RAIQA, wodurch man Frequenz und Neukunden ins Quartier bringen will. © RLB Tirol/Fred Einkemmer

Wie weit ist man in der Umsetzung? Wann wird man das Haus eröffnen?
Wass: Wir sind im Plan und werden Ende des Jahres fertig sein. Nach der behördlichen Abnahme werden wir im Februar/März nach fünf Jahren in Ersatzquartieren mit der Übersiedlung beginnen. Dann werden sukzessive auch die Shops einziehen, nur unsere Kinderkrippe und ein Reformer-Pilates-Studio werden früher einziehen. Im zweiten Quartal werden wir in den Vollbetrieb gehen. Wir freuen uns schon richtig drauf.

Haben Sie schon alle Mieter gefunden?
Wass: Wir haben Interessenten für alle Flächen und 90 Prozent schon vergeben. Wir teilen uns das Erdgeschoß im Hauptgebäude mit der Service-Bankstelle, einem Bistro und der Hotelrezeption. Im Nebengebäude wollen wir Genuss und Handwerk unterbringen, von einer Vinothek über ein Restaurant bis hin zum Bäcker mit handgemachtem Brot. Schwerpunkt drei ist das Thema Wohlbefinden und Gesundheit. Und wir haben mit 1.700 Quadratmetern den größten überdachten Vorplatz in Innsbruck. Dadurch wollen wir natürlich Frequenz und Neukunden ins Quartier bringen. 

Wird es wieder eine Kunstbrücke geben?
Wass: Auf alle Fälle. Es gibt einen eigenen Kunstraum und wir planen wieder dreimal im Jahr eine Ausstellung. Wir haben viel vor, damit dieser Raum belebt wird. Das RAIQA wird ein ganz kräftiges Lebenszeichen von Raiff­eisen in Tirol und ich spüre auch bei den Primärbanken, wie richtiger Stolz entsteht.

Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit den Raiffeisenbanken beschreiben?
Wass: Super. Früher gab es eine gewisse Reserviertheit, aber heute ist es ein tolles Miteinander. Da hat sich sehr viel Vertrauen und Wertschätzung aufgebaut. Die Raiffeisenbanken nehmen auch viele Dienstleistungen von uns in Anspruch.  

Was hat die Stimmung verändert?
Wass: Wir haben irgendwann realisiert, dass unsere Leistungen zu wenig an den Bedürfnissen der Raiffeisenbanken ausgerichtet und zu wenig transparent waren. Jetzt leben wir unsere Rolle als Dienstleister für die Raiffeisenbanken und haben unsere Leistungen angepasst. Wir arbeiten mit den größeren Raiff­eisenbanken intensiv und auf Augenhöhe bei Projekten zusammen und erarbeiten viele Themenstellungen gemeinsam, auf die die kleinen Raiffeisenbanken dann zugreifen können. 

Gibt es denn noch kleine Raiffeisenbanken in Tirol?
Wass: Wir sind in den letzten Jahren von 75 auf 41 Raiffeisenbanken nach unten gerasselt, aber wir haben immer noch eine große Spreizung. Wir haben relativ viele Milliarden-Banken – wie Kufstein, Kitzbühel, Reutte, Tirol Mitte West –, aber auch noch ganz kleine. Wir arbeiten mit beiden sehr gut zusammen. Die Milliarden-Banken haben sehr ähnliche Bedürfnisse wie wir und für die kleineren Banken machen wir, wo es möglich ist, eine abgespeckte Version. Heuer gibt es noch eine Fusion von drei Banken, dann werden wir wieder etwas homogener, aber zu wenig Banken ist auch nicht gut. In der Marktbearbeitung ist unser System unschlagbar, ob das immer so effizient ist, darüber kann man diskutieren. Aber wenn die Landesbank gute Dienstleistungen für die Primärstufe bietet, dann ist das der größte Garant, dass man diese wertvolle Struktur erhalten kann.

Wo liegen momentan die größten Herausforderungen für Banken?
Wass: Es ist nach wie vor die Regulatorik, wo es trotz Ankündigungen noch keine Entspannung von europäischer Ebene gibt. Auch der Bürokratieabbau auf EU- und auf Österreich-Ebene lässt auf sich warten. Das Dritte ist der technische Fortschritt: die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts ist unglaublich. Da müssen wir schauen, wie wir es schaffen den Anschluss zu halten, das wird uns nur gemeinsam gelingen. Gerade als kleinere Landesbank können wir diese Herausforderung nicht alleine bewältigen.

Tirol hat vor kurzem die Raiffeisen-Junior-App von Raiffeisen NÖ-Wien übernommen. Gibt es noch weitere Pläne?
Wass: Ja, Bitpanda werden wir spätestens Anfang 2026 auch bringen, weil die Kunden in Kryptoassets investieren wollen. Wenn etwas Spannendes passiert, dann übernehmen wir das auch, da haben wir keine großen Berührungsängste. Für unser Wachstum werden wir Mehrwertleistungen brauchen, die uns vom Mitbewerb unterscheiden. Umgekehrt stellen wir auch alle unsere Innovationen den anderen Landesbanken zur Verfügung – etwa unsere Finanzwissens-App. Es ist ein Gebot der Stunde, die Zusammenarbeit auf Bundesebene deutlich auszubauen. 

Ein zusätzliches Geschäftsfeld sehen viele auch im Thema Energie.
Wass: Auch wir setzen massiv auf dieses Thema und haben die Raiffeisen Regenerative GmbH gegründet. Wir haben schon sehr viele Energiegemeinschaften sowie eine Bürger-Energie-Gemeinschaft gegründet und sind selbst in der Projektierung und Realisierung von Photovoltaikanlagen aktiv. Wir sehen hier sehr viel Potenzial.  

RLB-Tirol-Vorstand Thomas Wass auf der Raiqa-Baustelle
© RLB Tirol/Fred Einkemmer

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben? 
Wass: Eine Bank ist keine One-Man-Show, davon bin ich zutiefst überzeugt. Die Herausforderungen sind so komplex, dass man sie nur als Team bewältigen kann. Wir drei im Vorstand sind unterschiedliche Charaktere mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen, das ist unsere Chance. Als Kollektiv funktionieren wir gut. Ich setze klar auf Leadership.

Erklärt das auch, warum Ihr Kollege Christof Splechtna im RBI-Aufsichtsrat sitzt und nicht Sie als Vorsitzender?
Wass: Führen heißt auch, loszulassen. Es gibt aber noch einen zweiten Grund: Ich finde es gut, Eigentümerschaft von der Aufsichtsratsrolle zu trennen. Der Aufsichtsrat hat ausschließlich das Wohle des Unternehmens zu vertreten und der Eigentümer hat natürlich noch andere Interessen. Für mich ist es auch eine Zeitfrage, weil ich den Vertrieb verantworte, sitze ich bereits in vielen bundesweiten Fachgremien. Mir ist es auch extrem wichtig, Zeit bei unseren Kunden zu verbringen. Es ist also ein sehr pragmatischer und kein machtgetriebener Ansatz.

Müssen sich die Mitarbeiter der RLB Tirol auf Veränderungen einstellen?
Wass: Ich bin ein Fan von Evolution, denn eine Revolution zerstört viel Gutes. Wir werden das, was wir die letzten Jahre gemeinsam aufgebaut haben, gezielt weiterentwickeln.  

Das erste Halbjahr ist um, wie läuft das heurige Geschäftsjahr? 
Wass: Ja, bis jetzt läuft es planmäßig und wir sind zufrieden. Unsere Erwartung ist, dass wir beim EGT etwas unter dem Vorjahr liegen. In Zeiten wie diesen wäre es auch vollkommen falsch ein Rekordergebnis anzustreben, wir haben das Ergebnis, das wir auf Eigenkapitalseite brauchen. Unsere Aufgabe ist es, jetzt auch unseren Betrieben zu helfen, denen es aktuell vielfach nicht so gut geht.

Ihr Vorgänger war unglaubliche 46 Jahre in der RLB Tirol davon 30 Jahre im Vorstand, bei Ihnen sind es auch schon 28 Jahre, davon neun Jahre im Vorstand. Das könnte sich also bei Ihnen auch ausgehen, oder?
Wass: Der Job macht mir unglaublich viel Spaß und es ist eine tolle Aufgabe. Ich glaube jedoch nicht, dass ich bis Siebzig arbeiten werde. Aber jetzt bin ich mal am Anfang und denke noch nicht über das Ende nach. 

AusgabeRZ26-2025

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