„Hohe Volatilität zwischen Optimismus und Pessimismus“

Wilhelm Celeda, CEO der Kathrein Privatbank, berichtet von einem Rekordergebnis 2022 und skizziert Investmentchancen im aktuellen Marktumfeld.

© RZ/Alexander Blach

2022 war ein historisch schlechtes Jahr. Sowohl Aktien- als auch Anleihenmärkte waren negativ. Wie hat sich die Kathrein Privatbank in diesem Umfeld entwickelt?
Wilhelm Celeda: Wir waren ursprünglich optimistisch für 2022, haben dann aber mit 1. Februar – also bereits vor Kriegsbeginn – begonnen, Risiko rauszunehmen und die Aktienquote zu senken sowie bei Anleihen auf kurze Duration zu setzen. Das hat sich als richtig erwiesen. Die Zuflüsse, die wir als Bank hatten, waren nach Kriegsbeginn gebremst, ab der zweiten Jahreshälfte sind wir wieder in den normalen Fluss und ins Wachstum zurückgekommen. Die vergangenen zwei Jahre sind wir doppelt so stark gewachsen wie der Marktschnitt. In Summe ist es uns als Bank 2022 sehr gut gegangen. Wir werden ein Rekordergebnis ausweisen. Die steigenden Zinsen sind uns dabei entgegengekommen. 

Wie hat sich das Geschäftsvolumen entwickelt? 2021 war man bei 7,5 Mrd. Euro. 
Celeda: Wir stehen aktuell bei 7 Milliarden. Wir hatten Nettozuwächse und die Anzahl der Kunden ist leicht nach oben gegangen, aber der Markt ist eben um 10 Prozent gefallen. 

Wie ist die Stimmung der vermögenden Kunden?
Celeda: Das Thema Inflation ist bei jedem angekommen und die Leute sind vorsichtig geworden. Das Unangenehme war 2022, dass man auch mit defensiven Anleihen ein Minus gehabt hat – etwa bei Euroanleihen 18 Prozent. Viele Kunden haben sich also die Frage gestellt, was mache ich jetzt in Zeiten steigender Zinsen und sinkender Aktienkurse? Der Stillstand bei Immobilien ist für viele unserer Kunden auch ein harter Schlag.

Wie zufrieden sind Sie mit der Performance Ihres Asset Management? 
Celeda: Wir sind querbeet über der Benchmark gewesen, aufgrund der Tatsache, dass wir früh Risiko reduziert haben und dann relativ lange unten geblieben sind. Erst Anfang Dezember sind wir wieder stärker in Aktien gegangen. Wir sind jetzt ganz leicht positiv auf Aktien, aber noch immer nicht so stark gewichtet wie von 2021 bis Anfang 2022. Die Faustregel 60:40, also 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen, war totgesagt, ist aber jetzt wieder im Kommen. Selbst mit unseren Investment Grade-Anleihenfonds kann man derzeit, wenn man den Inflationsprognosen glaubt – mit einem Soft Landing heuer und im nächsten Jahr Richtung drei Prozent –, mit 4,25 Prozent Verzinsung zum ersten Mal wieder einen Ertrag erzielen. Einen inflationsbereinigten Zinsertrag haben wir viele Jahre nicht gesehen. Auch im Dollarbereich bekommt man mit einem Investment Grade so um die 5 Prozent Yield – allerdings sind wir leicht negativ auf den Dollar, weil die Fed schon heuer beginnen wird, die Zinsen zu senken. Aber natürlich sind, wie bei jeder Anlage in Wertpapieren, Kursschwankungen aufgrund von Marktveränderungen immer möglich.

Seit Dezember steigen Sie wieder in Aktien ein. Was war das positive Signal?
Celeda: Das Abflachen der Inflation in den USA. Zweimal hintereinander tiefere Inflationsraten als erwartet hat uns dazu veranlasst, noch stärker an ein Soft Landing zu glauben. Auch die Arbeitslosenziffern in den USA waren gut. 

Wann wird die EZB beginnen, die Zinsen zu senken?
Celeda: Wir rechnen heuer nicht damit, sondern erst Anfang des Jahres 2024. Wobei eine stärkere Rezession die Notenbank wahrscheinlich dazu bewegen würde, früher zu senken. 

„Wir stellen Qualität vor Wachstum, aber eigentlich muss man nach allen Seiten offen sein.“

Wilhelm Celeda

Wo sehen Sie momentan an den Aktienmärkten die größten Chancen?
Celeda: Wir erachten Europa und die Emerging Markets aufgrund der Kennziffern derzeit als günstig. Und stellen Qualität – also Value-Aktien – vor Wachstum – also Growth-Aktien. Aber man muss eigentlich nach allen Seiten offen sein, auch für Tech-Aktien oder Japan. 

Antizyklisches Investieren verspricht oft Erfolg. Sehen Sie derzeit irgendwo Übertreibungen am Markt? 
Celeda: Im Augenblick ist es wirklich ein sehr gemischtes Bild ohne Übertreibungen. Nur bei Kryptowährungen bin ich immer noch skeptisch, aber die bieten wir unseren Kunden ohnehin nur in Form von Zertifikaten an und da ist die Nachfrage überschaubar.  

Welche Risikofaktoren sehen Sie momentan für eine positive Entwicklung der Märkte?
Celeda: Grundsätzlich rechnen wir schon noch mit einer hohen Volatilität zwischen Optimismus und Pessimismus, je nachdem, was gerade an der Front gesagt wird. Der Krieg bleibt die größte Gefahrenquelle. Keiner weiß, was noch an Eskalation eingepreist werden muss. Auch die Nicht-Kalkulierbarkeit der Energiepreise geht damit Hand in Hand. Natürlich gibt es dann noch das Thema Lieferketten, mit dem Konflikt zwischen China und Taiwan, was kurzfristig eine Dämpfung mitsichbringen könnte.

Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit im aktuellen Umfeld?
Celeda: In unseren Publikumsfonds wird bereits über 50 Prozent nachhaltig veranlagt. Die institutionellen Spezialfonds haben oft nicht das offizielle Label, gehen aber auch sehr stark in die nachhaltige Richtung. Neuerdings bieten wir auch nachhaltiges Gold an, das wird ebenfalls gut angenommen.

Wilhelm Celeda im Interview
© RZ/Alexander Blach

Seit zwei Jahren bietet die Kathrein Privatbank auch Private Equity Fonds an. Wie ist das Feedback?
Celeda: Das Interesse ist da und man sieht, dass mit diesem Thema die nächste Generation sehr gut mitgenommen wird. Es kommt besonders bei den jungen Kunden sehr gut an. Das hat auch das große Interesse an unserem diesjährigen Neujahrsempfang gezeigt, wo Venture Capital-Investor Florian Gschwandtner Festredner war. 

Durch das Comeback der Zinsen hat sich das Anlageuniversum wieder erweitert. Brauchen die Kunden jetzt mehr Beratung?
Celeda: Sie brauchen grundsätzlich mehr Beratung aufgrund der Unwägbarkeiten, die es momentan gibt. Das hat weniger mit den Zinsen zu tun. 

Wie will man sich da von den Mitbewerbern differenzieren?
Celeda: Wir setzen weiterhin auf persönliche Beratung und das auf ganzheitlicher Ebene, also über reine Finanzfragen hinaus. Dazu kommt, dass wir auf Produktebene ein sehr großes Portfolio anbieten können, von Private Equity bis zu Zertfikaten. Ich glaube, Zertifikate könnten wieder interessanter werden, und zwar auch sehr defensive Zertifikate, also Garantiezertifikate, wo man an der Performance von Märkten partizipieren kann und einen Prozentsatz als Kupon erhält. 

Was haben Sie sich für die Zukunft vorgenommen?
Celeda: Wir werden in diesem Jahr noch stärker an unserem Beratungsservice für Nachfolge und familiäre sowie unternehmerische Vermögen, Family Konsult, arbeiten. Wir wollen auf Kundenseite weiterwachsen und suchen derzeit auch offensiv nach
Mitarbeitern, um das zukünftige Wachstum bewältigen zu können. 

Rechnen Sie heuer wieder mit einem Rekordergebnis? 
Celeda: Es gibt noch sehr viele Unbekannte, aber wenn unsere Pläne aufgehen, dann werden wir das Vorjahresergebnis noch einmal wiederholen können.