Ist Österreich bereit für KI?

Fit4internet hat erstmals untersucht, wie es hierzulande um das KI-Wissen steht. Die Ergebnisse zeigen klar: Es gibt noch viel Luft nach oben.

Künstliche Intelligenz (KI) ist keine Modeerscheinung und weit mehr als ein technologisches Hilfsmittel. KI hat das Potenzial, wirtschaftliche und auch gesellschaftliche Prozesse grundlegend zu verändern. Umso wichtiger ist es daher, „ein klares Bild zu bekommen, wie die Österreicher bei diesem Thema aufgestellt sind“, sagt Martin Heimhilcher, Spartenobmann Information und Consulting der Wirtschaftskammer Wien, der vor allem auch das Potenzial für den Wirtschaftsstandort betont: „Wir müssen uns mit dem Thema beschäftigen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben oder überhaupt wieder zu werden.“ Dabei seien Investitionen in die Weiterbildung der Mitarbeitenden und die Anpassung von Geschäftsmodellen an die neuen technologischen Möglichkeiten von entscheidender Bedeutung. 

Das Digital-Skills-Barometer von Fit4internet ermöglicht nun auch im Kontext Künstlicher Intelligenz eine gesamtheitliche Betrachtung des aktuellen Wissensstands der österreichischen Bevölkerung. Befragt wurden 2.000 internetnutzende Personen im Alter von 16 bis 87 Jahren aus ganz Österreich. Erhoben wurde dabei die Technologieaffinität, die KI-Selbsteinschätzung, das KI-Wissen, das KI-Technologieverständnis, die KI-Geräte- und Anwendungsnutzung, die KI-Einstellung und der wahrgenommene KI-Einfluss privat wie beruflich, die KI-Chancen und -Risiken sowie die Lernwege zur KI-Kompetenzaneignung. Festgelegt wurden dafür fünf Kompetenzstufen entlang einer Skala mit 100 Punkten, wobei ab einem Niveau zwischen Stufe 3 und 4 (60 Pkt.) ein „sicherer, kompetenter, selbstbestimmter Umgang mit KI-Anwendungen möglich ist“.

Wissen überschätzt

Ihr KI-Grundwissen schätzen die Befragten im Durchschnitt als solide grundlegend ein (Kompetenzstufe 2). Das heißt, sie gehen davon aus, dass sie über solides KI-Basiswissen verfügen und selbständig – nur mit temporärer Hilfestellung – einfache KI-basierte Routinearbeiten durchführen können, wie Patricia Neumann, Fit4internet-Vizepräsidentin und Vorstandsvorsitzende bei Siemens Österreich, erläutert. 

Die Ergebnisse zeigen aber, dass die Selbsteinschätzung und das tatsächliche Wissen auseinanderklaffen: „Wir haben eine Differenz von fast einer gesamten Kompetenzstufe. Wir sehen, dass die Eigeneinschätzung wesentlich höher ist als das tatsächliche Wissen“, sagt Neumann und hält fest, dass das tatsächliche Wissen mit der Kompetenzstufe 1 auf sehr niedrigem Niveau liegt. 

GRAFIK zum KI-Knowledge-Gap

Dieser Knowledge-Gap zieht sich durch alle Kompetenzbereiche: Die größten Wissensdefizite herrschen bei „Grundlagen, Zugang und digitales Verständnis“ (9 Pkt.), „Umgang mit Informationen und Daten“ (14 Pkt.) und „Sicherheit und nachhaltige Ressourcennutzung“ (18 Pkt.). Am besten schneiden die Befragten im Kompetenzbereich „Kreation, Produktion und Publikation“ (31 Pkt.) ab, hier ist das Wissen sogar etwas höher als die Selbsteinschätzung.

Die Selbsteinschätzung bezüglich der eigenen Kompetenzen ist bei den Männern höher als bei den Frauen. Tatsächlich liegen auch hier beide Gruppen eine Kompetenzstufe darunter. Weiters zeigt sich, dass die Gen Z (zwischen 16 und 29 Jahre) am besten abschneidet, aber ihr Wissen mit 35 Punkten auch um nahezu zwei Kompetenzstufen überschätzt. Mit jeder älteren Generation sinkt auch das tatsächliche Wissen. 

Eigeninitiative notwendig

54 Prozent der Männer verfügen über eine hohe bis sehr hohe Technologieaffinität, also die Bereitschaft, sich mit digitalen Anwendungen, Geräten und Technologien zu beschäftigen. Bei den Frauen sind es hingegen mit 29 Prozent deutlich weniger. Prinzipiell zeigt sich: je höher das Technologieinteresse, desto höher ist auch das KI-Grundlagenwissen.

57 Prozent der Befragten geben an, dass sie selbst aktiv sein müssen, um mit den Entwicklungen rund um KI-Anwendungen und -Systemen Schritt halten zu können. Es ist also noch viel Eigeninitiative notwendig, wie Neumann hervorhebt. So eignen sich 32 Prozent ihre KI-Kompetenzen durch regelmäßiges „Learning by doing“ und 21 Prozent durch „Learning on the job“ an. Rund ein Drittel der Befragten wäre bereit, KI-Kompetenzen aufzubauen, wenn der Staat oder Arbeitgeber dies finanziert.

Weniger motiviert scheinen die 52 Prozent der Befragten, die angeben, überhaupt keine KI-Anwendungen zu nutzen. 70 Prozent dieser Personen geben an, nur über mangelndes Wissen zu verfügen und auch Sicherheitsbedenken zu haben. 66 Prozent sagen, dass sie Datenschutz- und urheberrechtliche Bedenken haben.

Präsentierten die Studie: Martin Heimhilcher, Hermann Erlach, Patricia Neumann, Christoph Becker (Geschäftsführer ETC – Enterprise Training Center) und Hans Greiner (Geschäftsführer Cisco Österreich)
Präsentierten die Studie: Martin Heimhilcher, Hermann Erlach, Patricia Neumann, Christoph Becker (Geschäftsführer ETC – Enterprise Training Center) und Hans Greiner (Geschäftsführer Cisco Österreich) © C. Menschhorn

Mensch im Mittelpunkt

Obwohl ein Drittel bis 51 Prozent der Befragten Chancen für die Gesellschaft durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz sehen, werden Risiken durchwegs höher bewertet. „Es braucht daher mehr Bewusstsein für moderne Technologien wie KI, aber vor allem einen kompetenten, menschenzentrierten Umgang damit. Daher benötigen wir ‚KI-Stewards‘ im Bildungswesen und in den KMUs – über Peer-Learning, Lern- und Förderprogramme, Reverse KI-Mentoring etc. –, um die Grundlagen für eine sichere KI-Anwendung zu schaffen“, appelliert Neumann. 

Davon ist auch Hermann Erlach, General Manager Microsoft Österreich, überzeugt: „Österreich hat die Möglichkeit, durch Künstliche Intelligenz eine führende Rolle in der digitalen Zukunft einzunehmen. Um dieses Potenzial zu realisieren, müssen wir digitale Kompetenzen weiter fördern und eine Kultur der Offenheit und Innovation schaffen. Mit der richtigen Ausbildung und starker Zusammenarbeit können wir die Vorteile der Digitalisierung voll ausschöpfen und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes stärken.“

AusgabeRZ30-24

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