„Den Kunden besser verstehen“

Die Herausforderungen im Firmenkundengeschäft in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten wurden beim Management-Dialog des Raiffeisen Campus unter die Lupe genommen.

Tiefe Einblicke in die anspruchsvolle Wirtschaftsentwicklung erhielten über 70 Führungskräfte des Firmenkundengeschäfts aus allen Bundesländern. Das breit gefächerte Themenspektrum reichte von der volkswirtschaftlichen Analyse über die Entwicklung der Firmeninsolvenzen bis hin zur richtigen Planung von Betriebsübergaben und Tipps für die Kommunikation.

Den Fokus auf das Kundengeschäft brachte Manfred Wilhelmer, Vorstandssprecher der Raiffeisen Landesbank Kärnten, ein: „Wenn es schwierig wird, ist es wichtig, dass Banken besonders nah an den Kunden sind.“ Dass die Erwartungen der Kunden und die Dienstleistungen der Banken aber nicht immer deckungsgleich sind, zeigt eine aktuelle EY-Umfrage. In dieser waren 96 Prozent der befragten Kreditinstitute überzeugt, die tatsächlichen Erwartungen und Bedürfnisse der Kunden zu kennen. Dem stimmten lediglich 36 Prozent der befragten Kunden zu. Hier gelte es, die Kundenzentrierung weiter zu schärfen und sich nicht zurückzulehnen, fordert Wilhelmer. 

Strategische Beratung gewünscht

Firmenkunden würden sich nicht nur eine laufende Betreuung im Tagesgeschäft wünschen, sondern auch strategische Beratung etwa beim Thema Nachhaltigkeit, Digitalisierung oder im Transformationsprozess des eigenen Unternehmens. Es gehe also im Kern darum, die Kunden richtig zu verstehen und noch gezielter auf ihre Bedürfnisse einzugehen. „Wenn wir den Kunden besser verstehen, eine Strategie haben und diese auch leben, dann werden wir ganz vorne dabei sein“, ist Wilhelmer, der selbst jahrelang das Firmenkundengeschäft der RLB Kärnten geleitet hatte, überzeugt.

Manfred Wilhelmer beim Management Dialog 2025
Manfred Wilhelmer © Raiffeisen Campus/ Jan Zaslawski

Deutschland und Österreich als Schwächepole

Einen Überblick, wie es in der Wirtschaft weitergeht, gab Valentin Hofstätter, Leiter Regionale Bankenbetreuung Österreich bei Raiffeisen Capital Management. Deutschland und Österreich befinden sich seit zweieinhalb Jahren in einer Rezession und seien die Schwächepole der aktuellen Konjunkturentwicklung in der Eurozone. Die österreichische Wirtschaft dürfte heuer vor einem dritten Rezessionsjahr stehen, geht aus einer jüngsten Prognose von Raiffeisen Research hervor. Dabei seien die globalen Rahmenbedingungen aktuell bei Weitem nicht so schlecht, wie sie aus der österreichischen Perspektive scheinen. Im Vorjahr sei die Weltwirtschaft um rund 3 Prozent gewachsen, die Eurozone um 1 Prozent. Und auch heuer sollte die Eurozone wieder mit einem ähnlichen Tempo wachsen.

Die Absurdität der Handelspolitik des neuen US-Präsidenten Donald Trump erklärte Hofstätter anhand der US-Zollpolitik gegenüber den Nachbarstaaten Mexiko und Kanada. In seiner ersten Amtszeit habe Trump das Freihandelsabkommen mit den beiden Staaten schon damals auf Druck der USA neu ausgehandelt. Nun, eine Amtszeit später, bricht Trump erneut einen Handelskonflikt mit den beiden Nachbarstaaten vom Zaun. Aus den diversen erlassenen Maßnahmen des US-Präsidenten schließt der Ökonom: „Trump hat wenig Ahnung, aber eine sehr starke Meinung.“

„Politik und Krisen sind nicht alles“

Mit Blick auf den Kapitalmarkt, der trotz dieses Umfeldes relativ robust nach oben zeigt, erklärt Hofstätter: „Politik und Krisen sind nicht alles.“ Viele Aktienwerte hätten zweistellig zugelegt. In Europa spürt man den leichten geldpolitischen Rückenwind bereits. Vergangene Woche senkte die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen um 25 Basispunkte – zum sechsten Mal in Folge seit dem Sommer 2024. Damit ging auch der für den Finanzmarkt relevante Einlagezinssatz auf 2,50 Prozent zurück. In der Regel dauere es rund ein Jahr, bis die Zinsschritte in der Realwirtschaft auch ankommen, so Hofstätter.

Damit werde der Konjunkturmotor in der EU angekurbelt. Zudem stiegen die langfristigen Zinsen am Kapitalmarkt zuletzt spürbar – von ungefähr 2,4 auf fast 3 Prozent. „Die Zinsen am langen Ende leben vom Ausblick“, sagt der Experte. Der Markt erwartet, dass die europäische Wirtschaftskraft als Folge der angekündigten massiven Aufrüstung der EU und des umfangreichen deutschen Infrastrukturpakets stärker zulegen wird als erwartet.

Valentin Hofstätter beim Management Dialog 2025
Valentin Hofstätter © Raiffeisen Campus/ Jan Zaslawski

Durchwachsenes Bild

Die Stimmung in der österreichischen Wirtschaft und die Insolvenzentwicklung nahm Ricardo-José Vybiral, CEO des Gläubigerschutzverbandes KSV1870, unter die Lupe: „48 Prozent der Unternehmen sagen, dass sie eine sehr gute Geschäftslage haben. Das ist besser als erwartet.“

Die Umsätze stagnieren aktuell bei vier von zehn Betrieben. Zu den relativ stabilen Branchen zählen das Gesundheits- und Sozialwesen, der gesamte Bereich Information und Kommunikation, der vom Digitalisierungsschub aus der Corona-Krise profitiert, und das Finanzwesen, das sich positiv entwickelt.

Negativ entwickelt sich unter anderem der Handel, die Bauwirtschaft im Hochbau, während sie im Tiefbau auf Jahre hinaus ausgelastet sei. Besonders unter Druck sei die Produktion, aber auch der Möbelhandel liege darnieder. „Der Boom aus der Corona-Zeit ist vorbei. Man sieht, dass die Verbraucher sparen“, so Vybiral. 

Ricardo-José Vybiral beim Management Dialog 2025
Ricardo-José Vybiral © Raiffeisen Campus/ Jan Zaslawski

Digital im Hintertreffen

Eine positive Entwicklung gab es Vybiral zufolge in den letzten Jahren bei der Eigenkapitalquote. Vor der Pandemie lag diese bei den heimischen Betrieben im Schnitt bei 49 Prozent und stieg bis 2023 auf 52 Prozent. Bei den Themen Digitalisierung, Innovationen und neue Geschäftsmodelle seien die österreichischen Unternehmen im internationalen Vergleich im Hintertreffen, auch in Europa. Zu den aktuellen Herausforderungen für die Betriebe zählen weiterhin die höheren Energiekosten, auch wenn man sich langsam an diese gewöhne. 

Die Insolvenzquote von 1,4 Prozent in Österreich sei eigentlich noch überschaubar, so der KSV-Experte. 2024 gab es mehr als 6.500 Firmenpleiten. Der Hammer sei aber die Entwicklung der Passiva, die im Vorjahr mit 18,9 Mrd. Euro einen neuen Rekordwert erreichten. In Normaljahren liegen diese um die 2 Mrd. Euro, 2019 hatten sie 1,7 Mrd. Euro betragen. Diese Explosion führt Vybiral auf ungewöhnlich große Insolvenzfälle wie Signa zurück. Für heuer erwartet der Insolvenzexperte einen weiteren Anstieg der Firmenpleiten in Österreich auf rund 7.000 Fälle. 

AusgabeRZ11-2025

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Mehr lesen

Aktuelles

Die Welt der Raiffeisenzeitung