„Wir haben Spur gehalten, Stabilität und Resilienz gezeigt und sind ganz wichtige neue Wege gegangen, mit denen wir Erfolg haben“, lässt Michael Höllerer, Generaldirektor der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien, das Jahr 2024 bei der Jahrestagung in der Messe Wien kurz Revue passieren.
In Zahlen ausgedrückt bedeutet das ein Konzernergebnis nach Steuern von 434,7 Mio. Euro, im Vergleich zu 961,2 Mio. Euro im Jahr davor. Die positiven Beiträge der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien und der at Equity-bilanzierten Beteiligungen an der Raiffeisen Bank International und der Strabag wurden von einem „schmerzlichen Effekt“ aus der Baywa-Beteiligung getrübt, der sich mit 116 Mio. Euro niederschlägt. „Und diese Restrukturierung der Baywa wird uns auch noch eine Zeit lang begleiten“, prognostiziert Höllerer.
Die Resilienz und Widerstandsfähigkeit gegenüber volatilen Entwicklungen zeigt sich in den Kapitalquoten, die sich im Vorjahr wiederum verbessert haben. Die harte Kernkapitalquote (CET1-Ratio) ist um 1,6 Prozentpunkte auf 22,5 Prozent gestiegen, die Total Capital Ratio liegt bei 24,0 Prozent. Die starke Kapitalisierung ist nicht zuletzt auch eine wichtige Voraussetzung für zukünftige Investitionen, und von denen gibt es viele, wie Höllerer bei der Jahrestagung vor 850 Gästen verkündete und ankündigte. Der Fokus liegt auf den bestehenden Kerngeschäftsfeldern Bank, Lebensmittelindustrie und Medien sowie auf den neuen Investitionsfeldern Energie, Gesundheit und „Unternehmertum & Regionale Verantwortung“.
Wachsende Beteiligungen
Im Bereich Gesundheit gibt es eine neue Zusammenarbeit mit Mavie NEXT und eine Kooperation mit dem heimischen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln Biogena, von der die Kunden der Stadtbank schon ab Juni profitieren werden. Um als Bank „schneller positiv aufzuschlagen“ habe man auch lange an der Kooperation mit dem REWE-Konzern getüftelt. Herausgekommen ist eine exklusive Partnerschaft mit dem JÖ Bonus Club, mit 4,8 Millionen Mitgliedern das größte Treueprogramm Österreichs. Das Raiffeisenkonto wird dabei mit der JÖ-Karte verbunden, dieses Angebot soll im 4. Quartal umfassend zur Verfügung stehen.
Durch aktives Beteiligungsmanagement wolle man „die Unternehmen wachsen lassen“, als Beispiel nennt Höller die NÖM. Die Molkerei in Baden investiert 80 Mio. Euro in ein neues Hochregallager und steht kurz davor mit der Vorarlberg Milch zu fusionieren. „Das ist ein großer Schritt für uns und eröffnet uns die Käsepalette“, erklärt Höllerer, allerdings noch vorbehaltlich der Zustimmung der Wettbewerbsbehörde und Genehmigung der Gremien in Vorarlberg. Auch das Medienportfolio wird mit einer 25,1-Prozent-Beteiligung am Falstaff-Verlag erweitert, für Höllerer „ein aufgelegter Elfer“, wenn er sich die Lebensmittelbeteiligungen und die Leserschaft anschaue.
Gelebte Verantwortung
„Wir leben Verantwortung nicht nur im Unternehmen, in der Gruppe und mit unseren Beteiligungen, sondern auch in der Gesellschaft. Uns ist es wichtig, dass wir uns aktiv im sozialen, gesellschaftspolitischen und kulturellen Leben positionieren“, betont der Generaldirektor. Als zwei solcher Initiativen nennt Höllerer die Unterstützung des Vereins Rainbows, eine Einrichtung, die Kinder und Jugendliche in stürmischen Zeiten unterstützt, und das Sponsoring der Wiener Staatsoper Open Air, ein Kulturangebot, das im Herbst für alle frei zugänglich sein soll.
Keine Sündenböcke
„Wir wollen ein Ökosystem schaffen und unseren Kunden tagtäglich zur Seite stehen. Wir wollen gestalten und nicht verwalten“, so das erklärte Ziel. „Banken sollten deshalb nicht die Sündenböcke sein“, betont Höllerer mit Blick auf die Politik, denn ohne profitable Banken sei Wohlstand und Wachstum nicht finanzierbar.
Holding-Obmann Erwin Hameseder schlägt in dieselbe Kerbe: „Vorausschauende Politik muss die Kräfte des Wachstums entfesseln und soll der Wirtschaft keine zusätzlichen Prügel in den Weg legen.“ Die Wirtschaft brauche faire, verlässliche Rahmenbedingungen und keine reflexartigen Belastungen erfolgreicher Strukturen. Konkret spricht Hameseder die Bankensteuer an, die „sehr schmerzt und auf Kosten von Investitionen und der Zukunft geht“. Die gesamte Steuer- und Abgabenleistung von Raiffeisen Österreich betrage bereits rund 3,6 Mrd. Euro und Niederösterreich trage ein gutes Drittel dazu bei. „Wir leisten also unseren Beitrag und stehen zu unserer Verantwortung“, so Hameseder.
Die 42 niederösterreichischen Raiffeisenbanken und die Landesbank sind eine verlässliche und starke Kraft für Niederösterreich und Wien, wie der Obmann unterstreicht: „Die Kraft der Gemeinschaft ist unsere betriebswirtschaftliche Realität.“ Die Raiffeisenbanken haben im Vorjahr ein voraussichtliches Betriebsergebnis von 680 Mio. Euro erwirtschaftet, nach 755 Mio. Euro im Jahr davor. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit liegt nach Bildung von Risikovorsorgen bei rund 300 Mio. Euro, nach 368 Mio. Euro im Jahr 2023. Von der gesamten Bankengruppe NÖ-Wien werden rund 1,3 Millionen Kunden betreut.
Gute Entscheidungen
Der Obmann fordert eine klare Differenzierung zwischen Sich-gut-Fühlen und Gut-Handeln: „Wer sich für die Zukunft interessiert und einsetzt, der muss bereit sein, kurzfristig auch auf den Applaus zu verzichten.“ Das gelte nicht nur für die Politik, sondern auch in der Wirtschaft. Die Schließung des Zuckerwerks in Leopoldsdorf sei eine Entscheidung mit Weitblick, die „wahrlich nicht populär“ war. Aber an der Nachnutzung wird momentan intensiv gearbeitet, wie Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner berichtet: „Wenn wir alle zusammenstehen, kann die Vision eines Bahn-Clusters mit einer Teststrecke für Schienenfahrzeuge in Leopoldsdorf Realität werden. Dann könnte Niederösterreich zu einem europäischen Hotspot der Bahnindustrie werden.“ Mikl-Leitner sieht in Raiffeisen NÖ-Wien einen „unverzichtbaren Partner auf dem Weg in die beste Zukunft für unsere Kinder“.
Verringerung der Kosten
Bundeskanzler Christian Stocker betonte bei der Jahrestagung, dass sich die Bundesregierung jedenfalls vorgenommen habe, für Österreich die richtigen Entscheidungen zu treffen: „Es ist unser Anliegen, etwas zu tun, damit sich die Wirtschaftsleistung verbessert.“ Ansetzen will der Bundeskanzler dabei bei den Energie-, Arbeits- und Bürokratiekosten, die nicht nur die österreichische, sondern auch die europäische Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit drücken.
Auch Hameseder fordert: „Brüssel muss aufhören, die eigene Wirtschaft insbesondere durch überbordende Bürokratie und Regularien zu belasten. Es gilt endlich Schritte zu setzen, die Europas Wirtschaft schützen, ihre Resilienz stärken und die Wettbewerbskraft steigern.“ Hameseder ortet zukünftig anstelle einer breit vernetzten Weltwirtschaft eine stärkere Fragmentierung in geopolitisch geprägte Machtblöcke: „Wir erleben eine tiefgreifende Transformation der weltwirtschaftlichen Beziehungen, keine Abkehr vom globalen Austausch, aber dessen Reorganisation – mit vielleicht kürzeren Lieferketten.“
Gerade in turbulenten Zeiten gebe es keine einfachen Antworten, aber wie Hameseder überzeugt ist: „Lösungen werden jenen gelingen, die mutig handeln, klug entscheiden und sich auf das besinnen, was sie in der Vergangenheit stark gemacht haben.“ Das Internationale Jahr der Genossenschaft sei dabei ein guter Anlass, die Raiffeisen-Prinzipien Zusammenarbeit, Zusammenhalt und Regionalität in den Fokus zu rücken.