„Wir sind mitten in einer Zeitenwende“

Mit viel Rückenwind startet Uniqa ins neue Jahr. CEO Andreas Brandstetter spricht über den Umbau der Versicherungsgruppe, den Goldgriff in CEE und die Zusammenarbeit mit Raiffeisen.

Uniqa-CEO Andreas Brandstetter
CEO Andreas Brandstetter © Uniqa

Auch 2021 dominierte Corona  das Geschehen. Wie lautet Ihr Resümee über das zweite Pandemie-Jahr?
Andreas Brandstetter: Wirtschaftlich sind wir bisher deutlich besser durch die Pandemie gekommen als befürchtet, vor allem 2021 gab es eine kräftige Erholung. Die negativen und positiven Wirtschaftsfolgen der Pandemie haben sich bei Uniqa in etwa die Waage gehalten, höheren Leistungen vor allem am Anfang der Pandemie zum Beispiel aufgrund von Betriebsunterbrechungen standen geringere Leistungen durch gesunkene Frequenzen im Kfz-Bereich gegenüber. Aus dieser Gesundheitskrise können wir mitnehmen, dass es besonders wichtig ist, sowohl physisch als auch digital nahe bei der Kundin, beim Kunden zu sein.

Uniqa ist der größte Gesundheitsversicherer des Landes. Mit welchen Langzeitfolgen der Pandemie rechnen Sie?
Brandstetter: Long-Covid wird die europäische Versicherungswirtschaft sehr lange beschäftigen. Daneben beobachten wir aber auch große Auswirkungen auf die mentale Gesundheit, die täglich an Bedeutung gewinnt. Wir haben deswegen im Vorjahr die Firma Consentiv gekauft, den größten privaten Anbieter in Österreich für betriebliche mentale Gesundheitsvorsorge. Und wir bieten seit März des Vorjahres für genese Uniqa-Kunden einen Post-Covid-Check auf unsere Kosten an, um eventuelle Folgen der Krankheit besser abzuschätzen. Dieses Service wird sehr gut angenommen, wir haben es bis Juni 2022 verlängert. Was wir noch gesehen haben: Der Bedarf an einem passenden und gleichzeitig niederschwelligen Therapieangebot ist groß. Daher bieten wir mit dem Post-Covid-eCoaching digitale Physiotherapie-Einheiten, die dazu beitragen sollen, dass betroffene Kunden mit moderatem Training nach einer Covid-19-Erkrankung wieder fit werden.

Trotz Pandemie übertraf Uniqa mit einem Vorsteuerergebnis von fast 300 Millionen Euro in den ersten drei Quartalen 2021 die Erwartungen. Wo sehen Sie noch Optimierungsbedarf?
Brandstetter: Überall! Wir wollen mit unserem Strategieprogramm Uniqa 3.0 in allen 17 Märkten kundenorientierter und effizienter werden, um unsere Profitabilität weiter zu steigern. Das soll sich auch in einer progressiven Dividendenpolitik widerspiegeln. Einen relevanten Teil des Gewinnes wollen wir auch in Innovationen investieren, nicht nur im Kerngeschäft, sondern auch im strategisch wichtigen Gesundheitsbereich. Also in Produkte, die über pure Versicherungsleistungen hinausgehen. Mit unserer Tochter SanusX möchten wir uns deshalb langfristig zu einem holistischen Gesundheitsanbieter entwickeln.

Womit waren Sie im Vorjahr zufrieden? 
Brandstetter: Mit dem  hohen Arbeitseinsatz unserer Mitarbeiter. Die physische Belastung für unsere Teams war im ersten Jahr unserer strategischen Transformation sehr hoch. Darüber hinaus macht uns die sang- und klanglose Integration der zugekauften AXA-Gesellschaften in Polen, Tschechien und der Slowakei zufrieden, die bislang exzellent über die Bühne ging.

Der AXA-Zukauf hat einen Sprung bei den Ergebniszahlen gebracht. Wie sieht die mittelfristige Perspektive aus?
Brandstetter: Wir haben mit der Übernahme der drei AXA-Gesellschaften ein Portefeuille von gut 800 Mio. Euro Prämienvolumen eingekauft, das sehr profitabel ist. Es ist auch profitabler als unser bisheriges Geschäft in Osteuropa. Das gibt uns Rückenwind vor allem für diese drei Märkte, aber auch für die Gruppe insgesamt. Das Wachstum der Versicherungsmärkte in Osteuropa insgesamt dürfte weiterhin deutlich stärker bleiben als in Österreich, wo wir mit einem jährlichen Plus von 1,5 bis 2 Prozent rechnen.

Die Raiffeisen Bank International hat den Ausstieg aus Bulgarien angekündigt. Was bedeutet das für Uniqa?
Brandstetter: Die Raiffeisenbankengruppe ist sowohl in Österreich als auch in CEE unser wichtigster strategischer Partner. Deshalb gilt dieser Kooperation unser höchstes Augenmerk. Wir sind mit der Kooperation und der Geschäftsentwicklung in Österreich und CEE sehr zufrieden. Die Entscheidung der RBI nehmen wir sportlich und hoffen, dieses sehr profitable Geschäft anderswo kompensieren zu können.

Wie hat sich der Bankenvertrieb hierzulande entwickelt?
Brandstetter: In den ersten drei Quartalen 2021 haben wir in Österreich Versicherungsprämien in Höhe von 550 Millionen Euro eingenommen und liegen damit über unserem Plan. Sehr erfreulich hat sich im Rahmen der Pensionsvorsorge die fondsgebundene Lebensversicherung entwickelt. Und auch bei der Digitalen Regionalbank kommen wir voran, österreichweit wird die digitale Signatur ausgerollt.

Wie sehen die Schwerpunkte der Kooperation heuer aus?
Brandstetter: Ein Thema, das wir diskutieren, ist wenig überraschend die Krankenversicherung. Das ist ein Geschäftsfeld, das dem Raiffeisen-Bankensektor noch fehlt und österreichweit derzeit die stärkste Nachfrage hat. Da sehen wir ein Riesenpotenzial für die Weiterentwicklung der Partnerschaft. Bis 2030 werden drei Millionen Menschen in Österreich über 60 Jahre alt sein. Zudem ist das staatliche Gesundheitssystem mit Themen wie Ärzte- und Pflegekräftemangel konfrontiert. Die Versorgungslücken sind gerade dort, wo Raiffeisen und Uniqa besonders stark sind, also im ländlichen Raum, am größten. Da wollen wir gemeinsam reingehen.

Anfang Dezember 2021 sammelte Uniqa 375 Millionen Euro über einen Green Bond ein. Wie weit sind Sie beim Thema Green Investments?
Brandstetter: Wir sind inmitten einer Zeitenwende. Europas Versicherer haben mehr als 10 Billionen Euro an Assets under Management und sind damit der größte institutionelle Investor in der EU. Für die Kommission ist es zentral, die Taxonomie so zu erstellen, dass sie den Versicherungen klare Regeln bietet, um die Finanzströme in Richtung grüner Investments zu dirigieren. Uniqa hat bereits rund eine Milliarde Euro in grüne Assets investiert und wir setzen laufend weitere Schritte, um unser Portfolio weiter in Richtung Nachhaltigkeit auszurichten.

„Die österreichische Wirtschaft hat immer wieder in schwierigen Situationen gute Lösungen gefunden.“

Andreas Brandstetter

Nicht nur die Gesundheitslage bringt Herausforderungen, auch die Geldpolitik … 
Brandstetter: Die ultralockere Geldpolitik der EZB ist eine Droge, an die sich einige Staaten Europas gewöhnt haben. Strukturelle Reformen finden kaum statt und das macht es schwierig. Auch Österreich hat noch nicht das Ende der Fahnenstange hinsichtlich  Strukturreformen erreicht. Das ist der große Unterschied zu vielen Wirtschaftsunternehmen, die wissen, wann die Zeit gekommen ist, sich neu zu erfinden und neu zu strukturieren. Darüber hinaus haben wir mit dem Aufkommen der Inflation in Kombination mit den anhaltenden Negativzinsen eine toxische Mischung in den geldpolitischen Rahmenbedingungen.

Rechnen Sie mit einem baldigen Ende dieser EZB-Geldpolitik?
Brandstetter: Ich habe mich in den letzten Jahren schon einige Male in der Erwartung geirrt, dass sie beendet werden müsste, aber es kam dann nie. Deshalb bin ich mit Prognosen vorsichtig geworden. Schwierige Zeiten brauchen auch Mut, um unpopuläre Entscheidungen zu treffen, die vielleicht morgen vom Wähler nicht goutiert werden. Wie es gut funktioniert, sieht man derzeit in Italien. 

Was ist Ihr Gefühl, wie 2022 wird?
Brandstetter: Das makroökonomische Umfeld scheint schwierig zu werden. Wir haben noch keinen Kompass, was Corona und die neue Mutante Omikron bringen wird. Ich rechne im ersten Quartal mit einer Belastung des öffentlichen Lebens. Von der Politik hängt es ab, ob es die notwendigen Reformen bei den wichtigen Themen Pensionen, Pflege, Kapitalmarkt und Bildung geben wird. Aber die österreichische Wirtschaft hat immer wieder in schwierigen Situationen gute Lösungen gefunden, auch gerade dann, wenn die Politik geschwächelt hat. Wir haben einen gesunden Mittelstand, ein noch hohes Arbeitsethos und innovative Unternehmen, deshalb bin ich für 2022 optimistisch.