„Man muss noch schärfer kalkulieren“

Die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich legte im Vorjahr mit einem Gewinn von 430 Mio. Euro und einer Kernkapitalquote von 15,8 Prozent ein starkes Fundament, um das Kunden- und Beteiligungsgeschäft weiter auszubauen, wie Generaldirektor Heinrich Schaller im Interview erklärt.

Heinrich Schaller im Interview
Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank OÖ © picturedesk.com/kurier/Jeff Mangione

Zum Halbjahr noch ein Minus von 236 Mio. Euro, am Ende ein Jahresüberschuss vor Steuern von 429,5 Mio. Euro. Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis 2022?
Heinrich Schaller: Wir sind aufgrund der nicht leichten Umfeldbedingungen mit dem Jahr 2022 hochzufrieden. Wir hatten 2021 ein Rekordergebnis und sind operativ mit 418,6 Mio. Euro praktisch auf gleichem Niveau. Wir konnten auch unsere harte Kernkapitalquote mit 15,8 Prozent auf einem sehr hohen Niveau halten, obwohl wir ein deutliches Wachstum in unseren Aktivitäten sowohl bei den Finanzierungen als auch bei den Beteiligungen hatten. Mit der Entwicklung der Beteiligungen sind wir auch sehr zufrieden. Allein die zehn at-equity bilanzierten Unternehmen haben 40,1 Mio. Euro zum Ergebnis beigetragen. 

Was bedeutet „nicht leichtes Umfeld“?
Schaller: Die Herausforderung ist natürlich die globale Krise, insbesondere die politische Krise Russland-Ukraine, darunter leiden schon viele Unternehmen.

Die Finanzierungen sind bei der RLB OÖ insgesamt um 2,5 Prozent gestiegen. Investitionsfinanzierungen um 5,8 Prozent. Wie entwickeln sich die Wohnbaukredite?
Schaller: Die Wohnbaukredite gehen massiv zurück. Im Vergleich von Jänner bis März 2022 zu 2023 ist der Neuabschluss bei Wohnkrediten um 68 Prozent zurückgegangen. Dieser Rückgang ist auf die geänderten Rahmenbedingungen – deutlich höhere Zinsen und Preise – zurückzuführen, aber auch auf die unsägliche KIM-Verordnung, die seit August in Österreich gilt. Die halte ich für absolut unnotwendig, denn hier würde sich der Markt von selbst regulieren.

Wie sehr schmerzt die Verordnung die Bank?
Schaller: Es ist für die Kunden negativ, es ist für die Bauwirtschaft negativ und es ist damit auch für die Banken nicht erfreulich. Insbesondere die kleineren Betriebe im Bau leiden gewaltig unter dieser Situation. 

Die Bilanzsumme der RLB OÖ ist mit 49,3 Mrd. Euro leicht rückläufig. Sie begründen das mit EZB-Finanzierungen, die jetzt sukzessive zurückgeführt werden. Wo geht die Reise hin? 
Schaller: Wir haben in etwa noch drei Milliarden, aber ob wir die zur Gänze an die EZB zurückführen, hängt von der Liquiditätsausstattung ab.

Die Einlagen sind im Vorjahr bei der RLB OÖ um 2,7 Prozent auf 13,9 Mrd. Euro gestiegen. Eine erfreuliche Entwicklung in der aktuellen Zinssituation? 
Schaller: Ja, die Einlagen sind leicht im Steigen. Dieses Thema hängt natürlich immer auch mit der Liquiditätsausstattung zusammen, wo es bei uns aktuell ja gut ausschaut. 

„Die Kunden sind nicht mehr gewohnt, dass man Zinsen zahlt“

Heinrich Schaller

Nach sieben Jahren Null- und Negativzinspolitik hat 2022 der radikale Kurswechsel der Notenbanken begonnen – aus Ihrer Sicht viel zu spät. Was bedeuten die großen Zinsschritte für die RLB OÖ? 
Schaller: Man muss mit den Kunden gemeinsam noch schärfer kalkulieren und ihnen bewusst machen, welche Zinsbelastung sie bei der Aufnahme eines Kredites in Zukunft haben. Die Kunden sind nicht mehr gewohnt, dass man Zinsen zahlt und wenn dann nur sehr geringe. Man muss sich wieder daran gewöhnen, dass die Zinsbelastung bei Krediten deutlich höher ist als in den letzten Jahren. Wir rechnen für heuer noch mit mindestens zwei weiteren Zinserhöhungen von der EZB im Ausmaß von Minimum je 0,25 Basispunkten.

Wird für eine Bank das Retailgeschäft jetzt wieder interessanter und lukrativer?
Schaller: Ja, aber wir sind jetzt in einer Normalisierungsphase. Diese sieben Jahre Negativzinsen waren ja kein Normalzustand.

Ihre Strategie sieht weiteres Wachstum vor. Wo will man zulegen?
Schaller: Im Firmenkundenbereich, der in den letzten Jahren schon gut ausgebaut wurde, werden wir nicht locker lassen. Da geht es nicht nur um Finanzierungen, sondern um eine Gesamtbetreuung. Wir wollen auch im Privatkundenbereich weiter wachsen, keine Frage. Und wir wollen auch im Beteiligungsbereich weiter wachsen, das haben wir im Vorjahr auch gezeigt mit einer Reihe von neuen Beteiligungen. 

Die Invest AG ist im Vorjahr 12 neue Beteiligungen eingegangen. Gemeinsam mit den Raiffeisenbanken in Oberösterreich, der RLB Steiermark und dem Raiffeisenverband Salzburg hat man im Vorjahr auch eine Kapitalerhöhung von 80 Mio. Euro durchgeführt. Heuer wird das Kapital um weitere 100 Mio. Euro aufgestockt. Wa­rum ist die Nachfrage nach Eigenkapitalfinanzierung so groß? 
Schaller: Es geht im Wesentlichen um Unternehmensnachfolgen und -expansionen. Da ist es deutlich einfacher und fundamentaler, wenn man das mit Eigenkapital durchführen kann. 

Heinrich Schaller im Interview
© picturedesk.com/kurier/Jeff Mangione

Die Gesamtberatung bei Firmenkunden betrifft wohl auch die grüne Transformation. Wie stark kann die Bank ihre Firmenkunden da unterstützen? 
Schaller: Ich glaube, dass die Beratung in dieser Hinsicht sehr intensiviert werden muss. Viele Unternehmen, insbesondere KMU, sind mit dem Thema und den Anforderungen, die auf sie zukommen, noch nicht in Berührung gekommen. Die meisten großen Unternehmen sind bereits sehr aktiv, aber im KMU-Bereich sehen wir Nachholbedarf.

Die RLB OÖ musste sich selbst im Vorjahr einem Nachhaltigkeits-Stresstest der EZB unterziehen. Was waren die Erkenntnisse? Ab Juli wird ja der Vorstand der RLB OÖ um Sigrid Burkowski erweitert, die sich um Compliance, Recht und Nachhaltigkeit kümmern wird.
Schaller: Wenn die Aufsicht etwas prüft, gibt es immer Empfehlungen, wie man etwas besser machen kann. Wir werden versuchen, diese Verbesserungsvorschläge, die etwa die Auswertung von Nachhaltigkeitsdaten betreffen, einzuarbeiten. Die Bestellung einer neuen Vorstandsdirektorin, die sich explizit um diesen Bereich kümmern wird, ist aber keine Folge von irgendwelchen Stresstests. Im Wesentlichen hängt es damit zusammen, dass die Anforderungen bei diesen Themen generell und jedes Jahr deutlich höher werden. Die Banken werden von der Aufsicht angehalten, effizienter zu werden, aber die Aufsicht ist genau jene Stelle, die erhöhte Kosten zum Großteil verursacht.

Wie geht es den Raiffeisenbanken in Oberösterreich? 
Schaller: Denen geht es ausgezeichnet. Sie sind operativ sehr gut unterwegs, wie das Betriebsergebnis von 341,5 Mio. Euro zeigt. Auch ein EGT (Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit) von 219,4 Mio. Euro ist wirklich sehr erfreulich – darin enthalten sind bereits zusätzliche Risikovorsorgen. Auch die Raiffeisenbanken versuchen sich auf schwierigere Zeiten einzustellen und haben Vorsorgen getroffen, obwohl es derzeit keine Ausfälle gibt. 

Die RLB hat im Vorjahr die Risikovorsorgen um 52,6 Mio. auf 92,2 Mio. Euro erhöht. Warum? 
Schaller: Die erhöhten Vorsorgen, die wir treffen mussten, sind sogenannte Portfolio-Wertberichtigungen. Wenn sich Rahmenbedingungen verschlechtern, muss man nach IFRS nach einem bestimmten Modell Vorsorgen treffen.

Sie rechnen also nicht damit, dass diese Vorsorgen schlagend werden? 
Schaller: Die Kreditausfälle sind nach wie vor sehr gering. Die NPL-Ratio ist nur leicht von 2,1 auf 2,4 Prozent gestiegen. Ich glaube schon, dass die Insolvenzquote steigen wird, aber sehr verhalten.

„Fusionierungen werden in den nächsten Jahren sehr stark personalgetrieben sein.“

Heinrich Schaller

Gestiegen sind jedenfalls die Zinserträge, sinkt dadurch der Druck für weitere Fusionen von Raiffeisenbanken oder setzt sich der Strukturwandel fort?
Schaller: Es wird mit großer Wahrscheinlichkeit zu weiteren Zusammenlegungen kommen, dabei spielt aber die Kostenseite keine Rolle. Fusionierungen werden in den nächsten Jahren sehr stark personalgetrieben sein. Allein als RLB OÖ haben wir momentan 40 offene Stellen und suchen vor allem im Rechnungswesen und im Risikomanagement nach Mitarbeitern.

Welche Erwartungen haben Sie an das heurige Jahr? 
Schaller: Die Wirtschaftssituation bei den Unternehmen stellt sich derzeit noch als stabil dar. Man muss aber sehr genau beobachten, wie sich der Konsum entwickelt. Sollte der Konsum zu stark einbrechen, wird das Auswirkungen auf die Investitionstätigkeit bei Unternehmen haben. Wir rechnen nicht mit einer Rezession, aber nur mit einem sehr geringen Wirtschaftswachstum. Die Inflation wird mindestens noch zwei Jahre über dem von der EZB vorgenommenen Niveau von 2 Prozent bleiben. Die Zinsen werden noch weiter steigen. Für die Raiffeisenlandesbank OÖ bin ich zuversichtlich, dass wir trotz einer schwierigen Situation unsere Finanzierungen steigern können und im Beteiligungsbereich weitere Investments tätigen können.