„Die Zukunft ist besser als ihr Ruf“

Seit der Corona-Pandemie hat sich der Wandel in der Arbeitswelt weiter beschleunigt. Welche Herausforderungen dabei auf Unternehmen und Führungskräfte zukommen, wurde heuer beim 30. Konjunkturforum der Kärntner Raiffeisenbanken thematisiert.

Blick auf das Publikum beim Konjunkturforum der Kärntner Raiffeisenbanken
© RLB Kärnten/Weichselbraun

Homeoffice, Vier-Tage-Woche, sinnstiftendes Arbeiten, Fachkräftemangel und der Kampf um die besten Köpfe – seit der Corona-Pandemie hat sich der Wandel auch in der Arbeitswelt wie in zahlreichen anderen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft dramatisch beschleunigt. „Die Einstellung zur Arbeit und der Anspruch an die Arbeit sind im Wandel begriffen“, betonte Peter Gauper, Vorstandssprecher der Raiffeisen Landesbank Kärnten, bei der Eröffnung des 30. Konjunkturforums der Kärntner Raiffeisenbanken. Als Unternehmen bemühe man sich jeden Tag, tüchtige Menschen für die Arbeit zu begeistern. Denn: „Als führender Bankpartner für 37.000 Kärntner Unternehmen ist es unser Anspruch, die Unternehmen bestmöglich zu servicieren“, so der Bankmanager.

Finanzmarktexperte Peter Brezinschek sieht die aktuell diskutierte Arbeitszeitverkürzung kritisch, vor allem weil die Zahl der Arbeitskräfte in Österreich in Zukunft laut Statistik Austria sinken wird. „Derzeit leben 5,5 Millionen Menschen im arbeitsfähigen Alter zwischen 20 und 65 Jahren in unserem Land, in wenigen Jahren sollten es unter 5,3 Millionen sein“, sagte der frühere Raiffeisen-Chefanalyst. Es sei verblüffend, dass sich Leute angesichts dieser demografischen Entwicklung mit einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich beschäftigen. „Der gewichtige Verknappungsfaktor für viele Unternehmen ist seit eineinhalb Jahren weder Material noch Halbleiter, sondern das Personal.“

Die Corona-Pandemie habe als Katalysator für die rasante Verknappung der Arbeitskräfte gedient. Phasenweise waren bis zu 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Viele Arbeitnehmer machten die Erfahrung, dass sie für die Hälfte der Arbeitszeit nicht das halbe Entgelt bekamen, sondern zwei Drittel. Daher sei es durchaus rational nachvollziehbar, dass die Teilzeitquote in Österreich auf 33 Prozent hinaufschnellte. Darüber hinaus befinden sich die geleisteten Überstunden im Keller. Früher arbeiteten Arbeitnehmer in Österreich im Schnitt 41 Stunden in der Woche, jetzt sind es 39 Stunden. Insgesamt bremsen solche Entwicklungen die Konjunktur.

Zweistellige Lohnzuwächse heuer möglich

Wie dramatisch die Entwicklung sei, zeige die Statistik über die Anzahl der Arbeitslosen pro offener AMS-Stelle. Brezinschek zufolge kamen im Jahr 2015 rund 13 Arbeitslose auf einen offenen Arbeitsplatz, im Februar waren es zwei. Dies spiegle sich auch in der gestärkten Verhandlungsposition der Arbeitnehmer bei den laufenden Kollektivverhandlungen wider. Zweistellige Lohnzuwächse seien heuer durchaus möglich. Besonders spannend wird aber Brezinschek zufolge die Verhandlungsrunde im kommenden Herbst. Dann dürfte die zugrundeliegende Inflation höher ausfallen als im Herbst 2022. 

Für die Konjunkturentwicklung ist Brezinschek nach der aktuellen Stagnation vorsichtig optimistisch: „In der zweiten Jahreshälfte 2023 sollte es einen moderaten Aufschwung geben.“ Denn die Inflation dürfte ihren Höhepunkt in Österreich mit zuletzt rund 11 Prozent überschritten haben und sollte wieder spürbar sinken. Von der Geldpolitik könne man mitnehmen, dass die Zinsen länger im restriktiven Bereich bleiben dürften als erwartet. Heuer könnten noch bis zu drei Zinsschritte erfolgen, ab der Jahresmitte erwartet Brezinschek sowohl in Europa wie auch in den USA danach eine geldpolitische Pause. 

Arbeitswelt im Umbruch

Mit welchen Herausforderungen die Unternehmen beim Thema „New Work“ konfrontiert sind und auf was sie sich einstellen müssen, skizzierte Ali Mahlodji, Gründer der Karriereplattform watchado und EU-Jugendbotschafter, in seiner Grundsatzrede: „Die Arbeitswelt ist ein Spiel der Beziehungen. Und wir sehen gerade ganz neue Spielregeln entstehen.“ Dabei sollte man vor Veränderungen keine Angst haben, sondern diese aktiv mitgestalten. Denn grundsätzlich gilt: „Die Zukunft ist immer besser als ihr Ruf.“ Wertschätzung, Respekt und Kommunikation auf Augenhöhe seien in der Arbeitswelt das Wichtigste. Wer in diese Beziehungsarbeit in den letzten zehn Jahren nicht investiert habe, habe in der Corona-Pandemie die Menschen verloren. Die Entwicklung eines Wir-Gefühls macht Unternehmen insgesamt resilienter. Um eine gute Stimmung und Unternehmenskultur zu fördern, sei die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel notwendig, also das Hineinversetzen in andere. Dabei sollte man auch auf die dazu passende Kommunikation und Wortwahl achten, vor allem, wie man über Mitarbeiter und Kollegen redet. „Denn Sprache schafft Realität.“

Die Hoffnung der Menschen, dass die Technologie alles lösen und sie entlasten könne, hält Mahlodji als studierter Experte für verteilte Computersysteme für einen Irrglauben. „Die Menschen vergessen, dass, wenn wir gut sind, in dem, was wir tun, die Arbeit niemals weniger wird, sondern mehr.“ Ein weiteres weit verbreitetes Wunschdenken sei es, dass unterschiedliche Generationen die gleichen Werte teilen. Daher sei „die Enttäuschung darüber oft das Ende unserer eigenen Täuschung“, sagt Mahlodji.

Neue Währung Lebenszeit

Engen Kontakt hat der EU-Jugendbotschafter insbesondere mit der Generation Z: „Für sie ist die Lebenszeit die neue Währung.“ Führungskräfte und Betriebe nehmen deshalb eine neue Rolle ein – sie verteilen nicht mehr Aufgaben, sondern begleiten die Mitarbeiter durch einen Lebensabschnitt. „Wenn man den Arbeitnehmern Orientierung, Vertrauen und Sinn vermittelt, bleiben sie auch langfristig“, ist Mahlodji überzeugt. Allerdings fehlt es den jungen Menschen heute seiner Ansicht nach vor allem an zwei wichtigen Fähigkeiten in der Arbeitswelt: Geduld zu haben und tiefe Beziehungen einzugehen. 

Die Führungsriege sieht Mahlodji in einer besonderen Bringschuld: „Sie müssen erklären können, warum ein Unternehmen etwas tut.“ Wer das nicht nachvollziehbar könne, werde bei den jungen Generationen immer weniger reüssieren können. Außerdem rät der Arbeitsexperte den Führungskräften, sich selber eher als Teil des Teams und nicht als dessen Spitze anzusehen. „Die Welt wird immer komplexer. Auch als Führungskraft kann man nicht alles wissen“, so Mahlodji. Deswegen komme der Entwicklung von Teams und Mitarbeitern eine immer größere Rolle zu. Dazu müsse man sich als Führungskraft die Frage stellen: „Kenne ich das Potenzial der Menschen um mich herum?“ 

Grundsätzlich stehe man vor einer Zeitenwende in der Gesellschaft, die eine ganz neue Wertschätzung für das Leben einleiten dürfte, betonte der Vortragende. Dabei stehen seiner Ansicht nach zwei Dinge, die man jahrzehntelang mit Füßen getreten hat – die Rolle der Frauen und die Mutter Erde – im Zentrum dieser Entwicklung.