„Wir wollen tagtäglich besser werden“

Vor einem Jahr startete Raiffeisen Wien mit der Neupositio­nierung als „Stadtbank“. Martin Hauer, der dafür zuständige Vorstand der RLB NÖ-Wien, spricht über erste Erfolge, das neue Premium-Segment und warum Bienen und Raiffeisen zusammengehören.

Porträt von Martin Hauer
(c) Roland Rudolph

Raiffeisen Wien. Meine Stadtbank“ feiert den ersten Geburtstag. Wie sieht Ihre Bilanz aus?
Martin Hauer: Sehr positiv. Wir haben uns vor einem Jahr vorgenommen, das, was Raiffeisen in ganz Österreich stark macht, nämlich die Bank vor Ort für die Menschen im Ort zu sein, auf eine moderne Art und Weise für die Stadt Wien zu übersetzen. Wir wollten ein finanzielles Zuhause für die Wiener sein. Und da ist uns im letzten Jahr sehr viel gelungen. Gerade im Zuge der Corona-Krise haben viele Kunden unser Angebot angenommen, auf dem Weg zu uns zu kommen, der für sie am besten passt – sei es persönlich in der Filiale, digital oder per Video. 

Schlägt sich das schon in Zahlen nieder?
Hauer: Wir sehen, dass wir vor allem im Finanzierungsgeschäft stark wachsen und im Wertpapiergeschäft auf einem guten Weg sind. Mit einem Plus von 12.500 Kunden im ersten Jahr steigt erfreulicherweise auch der Neukunden-Anteil. Insgesamt also eine sehr positive Entwicklung.

Raiffeisen Wien hat vor einem Jahr auch ein Leistungsversprechen abgegeben: Das Persönliche und die Servicequalität stehen an oberster Stelle. Wie ist die Umsetzung bisher gelungen? 
Hauer: Wir haben uns zum Ziel gesetzt, ein optimales Kundenerlebnis in all unseren Kundenkanälen zu bieten und damit zum Qualitätsführer in Wien zu werden. Alles unter dem Motto „Wir machen den Unterschied“. Dass uns das gelingt, zeigen zwei Auszeichnungen, die die Stadtbank im letzten Jahr erhalten hat: Beste Regionalbank in der Bundeshauptstadt im Bereich Wohnbaufinanzierungen und im Veranlagungsgeschäft. Zudem ist unser Kundenkontaktcenter bei einem internationalen Wettbewerb, dem „Stevie-Award“, für die beste Serviceorientierung ausgezeichnet worden. Auch unsere virtuelle Filiale macht mir viel Freude, weil sie von den Kunden gut angenommen wird, obwohl wir sie erst Ende 2020 eröffnet haben. Und ja, natürlich gibt es immer noch mehr zu tun – wir wollen tagtäglich besser werden. Aber wir haben schon einiges erreicht und das motiviert uns, den Weg weiterzugehen. 

Der Start der „Stadtbank“ fiel genau in die erste Phase der Pandemie. Inwieweit hat das die Entwicklung beeinflusst? 
Hauer: Der erste Lockdown im März 2020 war natürlich ein enormer Einschnitt für die Menschen ganz allgemein, aber natürlich auch für uns als Bank. Von einem Tag auf den anderen war alles anders und auch wir waren im Krisenmodus. Was die Neupositionierung anbelangt, hatten wir damals für Mitte März ein Kunden- und Mitarbeiterevent im Gartenbau Kino geplant, wo wir mit etwa 1.000 Gästen die Stadtbank offiziell aus der Taufe heben wollten. Das ist natürlich ins Wasser gefallen. Wir haben unsere Werbekampagne aber nach Ende des ersten Lockdowns durchgezogen – auch, um ein positives Aufbruchssignal in der Stadt zu setzen. Rückblickend betrachtet hat uns die Pandemie die Chance gegeben, unser Motto, einen Unterschied zu machen und an der Seite der Wiener zu stehen, vom ersten Tag an in der Praxis unter Beweis zu stellen. Das war ein durchaus positiver Effekt – bei aller Dramatik, speziell in den ersten Monaten der Pandemie. 

Raiffeisen Wien hat sich für einen Omnikanal-Ansatz entschieden, also der Kunde entscheidet, wie er mit der Bank in Kontakt tritt. Welche Trends sind hier zu erkennen? 
Hauer: Der Omnikanal-Ansatz war die absolut richtige strategische Entscheidung, weil sich Kunden im Bankgeschäft kein Entweder-Oder erwarten. Der Kunde möchte entscheiden, durch welche Tür er in sein finanzielles Zuhause kommt. Und das muss nicht immer dieselbe sein. Genau das bietet der Omnikanal-Ansatz. Nächster Schritt ist sicherlich die noch bessere Vernetzung aller Kanäle. Es muss für den Kunden möglich sein, in einem Kanal zu beginnen und etwa erste Informationen im Internet einzuholen und danach ohne Reibungsverluste in einen anderen Kanal, etwa die Filiale, zu wechseln. Wir sehen natürlich, dass das digitale Angebot verstärkt genutzt wird. Aber wir sehen auch, dass wenn es um existenziellere Themen im Bankgeschäft geht, die Kunden das persönliche Gespräch schätzen und suchen. An dieser Stelle ein großes Dankeschön allen Kolleginnen und Kollegen, die ohne Unterbrechung – unsere Filialen waren ja auch in den Lockdowns durchgehend geöffnet – für unsere Kunden da waren.

Raiffeisen Wien unterteilt sich in fünf Regionalzentren mit angeschlossenen Filialen. Ist der Umbau schon überall abgeschlossen und wird die Struktur so bleiben? 
Hauer: Ja, diese Struktur steht und ist seit zwei Jahren abgeschlossen. Mittlerweile zeigt sich auch, dass immer mehr Banken ein derartiges Konzept verfolgen: Kompetenzzentren, in denen alles rund ums Bankgeschäft angeboten wird, wo das Know-how gebündelt ist, flankiert von Filialen oder wie in unserem Fall von Bezirksbanken, die für die Kunden im Tagesgeschäft da sind. Gekoppelt mit unserem digitalen Angebot ist diese Filialstruktur für uns genau das Richtige. Anfang September eröffnen wir unser fünftes, neues Regionalzentrum in Hietzing. Damit sind die Umbauarbeiten an den Regionalzentren weitgehend abgeschlossen. Sukzessive werden dann noch die Bezirksbanken modernisiert.

Martin Hauer im Interview
(c) Roland Rudolph

Überlegt wurde auch, das Private Banking aus dem Looshaus in die RLB NÖ-Wien zu holen. Wie ist hier der aktuelle Stand? 
Hauer: Das Private Banking wird Ende des Jahres ins Raiffeisenhaus übersiedeln. Die Vorbereitungsarbeiten dafür sind in vollem Gange. Das Looshaus bleibt aber im Besitz der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien, wir werden die Flächen alternativ nutzen. Im Raiffeisenhaus werden wir unseren Private Banking-Kunden ein top-modernes Service bieten. Gleichzeitig werden wir eine neue Kundengruppe mit unserem „Premium-Segment“ ansprechen und jenen Menschen ein Angebot machen, die schon sehr erfolgreich sind, aber vielleicht noch keine Private Banking-Kunden nach den strengen Segmentierungsregeln einer Bank sind. Wir sind davon überzeugt, dass es gerade in dieser Kundenschicht das Bedürfnis nach mehr Service- und Beratungsangebot gibt. 

Nicht nur in der Bankenwelt beschäftigt man sich derzeit mit den beiden Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Wie digital sind die Wiener? 
Hauer: Wir sehen, dass unsere digitalen Angebote immer besser angenommen werden. Dabei kommt uns zugute, dass wir unseren Digitalisierungsweg schon frühzeitig eingeschlagen haben. Ein gutes Beispiel dafür ist die digitale Signatur. Mittlerweile werden 25 Prozent unserer Geschäftsfälle digital signiert. Das ist der Trend der Zukunft – der Kunde bereitet zuhause seine Dinge vor, wir schicken ihm die Unterlagen, er unterschreibt und schickt sie zurück 

Und wie grün ist Raiffeisen Wien? 
Hauer: Gerade die digitale Signatur spannt den Bogen von der Digitalisierung zur Nachhaltigkeit, Stichwort Papierverbrauch. Auch mit der digitalen Vermögensverwaltung haben wir ein attraktives nachhaltiges Angebot. Und natürlich sind wir generell – wie die ganze Raiffeisen-Gruppe – dem Thema Nachhaltigkeit stark verbunden und haben viele Initiativen laufen, wie zum Beispiel unsere Bienen auf der Oper. Passend dazu unterstützen wir Bienenzüchter über das Projekt „Hektar Nektar“. Lebensraum für Bienen zu schaffen und auf deren Bedeutung für die Welt aufmerksam zu machen, ist eines der zentralen Themen unserer Zeit. Deshalb unterstützen wir hier, wo wir können. Schließlich gehören Bienen und Raiffeisen ja irgendwie zusammen. Es sind viele weitere Dinge, denen wir uns widmen – etwa den Citybikes, um mehr Radfahren in der Stadt zu ermöglichen. Und nicht zuletzt achten wir aufs Thema Nachhaltigkeit bei unseren Werbeartikeln. So sind unsere Sparbüchsen aus recycelbarem Material. Also Dinge, die an sich selbstverständlich sind, die aber, wenn sie jeder machen würde, durchaus einen Beitrag leisten. 

Was macht die Stadtbank aus – neben dem Bankgeschäft? 
Hauer: Wir haben uns überlegt, was wir für die Gesellschaft tun und wie wir für die Menschen in Wien relevant sein können. Eine der Ideen war die Kooperation mit der Basis.Kultur.Wien, die wir auch während Corona aufrechterhalten haben. Da sind wir sehr präsent in der Stadt, aber vor allem haben wir gezeigt, dass man nicht nur in schönen Zeiten da ist, sondern auch, wenn es einmal hineinregnet. Unsere Idee, Regionalzentren für Veranstaltungen zu öffnen, war leider corona-bedingt nicht möglich, wird aber sicherlich noch kommen. 

Welche Schwerpunkte hat sich die Stadtbank für ihr zweites Jahr vorgenommen? 
Hauer: Viele Schwerpunkte, aber es gibt drei, die im Vordergrund stehen. Zum einen werden wir mit unserem Wertpapier-Kompetenzzentrum einen Schwerpunkt auf diesen Bereich legen. Der zweite Fokus ist der Ausbau unserer Omnikanal-Plattform. Und der dritte Schwerpunkt betrifft unsere Verbundaufgaben, also weiterhin die optimale Servicierung der Raiffeisenbanken in Niederösterreich. Kurz gesagt, wir haben uns vorgenommen, auch in den nächsten zwölf Monaten jeden Tag unser Motto „Wir machen den Unterschied“ zu leben.