ÖRV-Info-Tagung: Nachhaltigkeit ist gekommen, um zu bleiben

Eine Expertenrunde diskutierte bei der Informationstagung des ÖRV über Nachhaltigkeit in der (Land-)Wirtschaft.

Das Thema Nachhaltigkeit ist sehr komplex und kann mitunter kontrovers diskutiert werden. Aber eines ist klar: Das Thema ist gekommen, um zu bleiben, wie Robert Pichler, Leiter der Abteilung Wirtschafts-, Agrar- und Europafragen im Österreichischen Raiffeisenverband (ÖRV) als Moderator einer Paneldiskussion zum Thema Nachhaltigkeit in der (Land-)Wirtschaft betonte. Während Nachhaltigkeit zunächst aus den Marketing-Abteilungen behandelt wurde, reiche das nun nicht mehr aus. „Wir müssen Nachhaltigkeit mit Zahlen, Daten und Fakten unterlegen“, sagte Pichler. Hintergrund sei der europäische Green Deal, der das Ziel verfolgt, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Zur Umsetzung habe die EU eine Reihe an Rechtsvorschlägen verabschiedet, Stichwort Taxonomie, Nachhaltigkeitsberichterstattung CSRD oder Lieferkettengesetz. „Diese Regulatorik fordert die Wirtschaft und überfordert sie teilweise“, so der Experte.

Elisabeth Zehetner, Geschäftsführerin von Oecolution, ist überzeugt, dass es eine sinnvolle Balance zwischen Ökologie und Ökonomie für eine nachhaltige Zukunft und für Klimaschutz braucht und nur damit auch die nötigen finanziellen Ressourcen geschaffen werden können. „Wir müssen unseren Wirtschaftsstandort stärken, um grüne Investitionen tätigen zu können“, betonte Zehetner. Trotz der zunehmenden Regulatorik sieht die Expertin auch viele Chancen im Zusammenhang mit dem Thema Nachhaltigkeit: „Gerade Österreich kann mit seinen Innovationen weltweit punkten und durch Technologie-Transfer einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.“ 

Auch RWA-Generaldirektor Reinhard Wolf setzt im Lagerhaus-Verbund auf Innovationen, betonte aber: „All die Maßnahmen, die wir setzen, müssen auch einen ökonomischen Anreiz auf Dauer schaffen. Denn nur mit Zwang und Verordnung von oben funktionieren die Dinge nicht, sondern erzeugen nur Frust.“ Grundsätzlich sei es wichtig, über den Tellerrand hinauszudenken, sagte Wolf in Bezug auf die oft vorherrschende Skepsis gegenüber internationalen Handelsabkommen. Europa verfalle oft in Partikularinteressen einzelner Lobbyisten. „Europa braucht eine Grundsatzreform im Tempo und im Agieren“, ist Wolf überzeugt. 

Bei der Implementierung der Nachhaltigkeitsrechtsakte habe Europa den Banken eine spezielle Rolle zukommen lassen, indem der Finanzsektor nun für die Umsetzung verantwortlich sei. „Es ist ein Phänomen, dass die Banken immer wieder staatliche Aufgaben übernehmen müssen“, sagt ÖRV-Generalsekretär und Geschäftsführer des Fachverbandes der Raiffeisenbanken, Johannes Rehulka. Man müsse aber bedenken, dass jede Pflicht, die eine Bank auferlegt bekomme, letztlich bei den Kunden in Form zusätzlicher Datenanfragen hängen bleibe. 

Leopold Gruber-Doberer, Geschäftsführer der Milchgenossenschaft Niederösterreich (MGN), vermisst in der aktuellen Diskussion über eine zukunftsfähige Landwirtschaft eine entsprechende Wertschätzung gegenüber den Bauern. „Die Gesellschaft fordert zunehmend mehr von den Bauern, ist aber nicht bereit, den Mehraufwand abzugelten. Wir haben eine satte Gesellschaft, die keinen Hunger hat, sondern maximal Appetit“, betont Gruber-Doberer und weiß: „Wir müssen weg von der oberflächlichen Diskussion hin zu Fakten, um eine sachliche Diskussion führen zu können. Der Anteil, den die Bevölkerung für Ernährung ausgibt, wird täglich weniger, die Anforderungen werden aber täglich mehr.“ Die Perspektiven für die heimische Landwirtschaft sieht er dennoch optimistisch: „Wir sind auf Basis unserer Familienbetriebe einzigartig aufgestellt.“ Die Landwirtschaft sei die einzige Antwort auf die Fragen der Zukunft: „Wir erzeugen Lebensmittel, Energie und nachwachsende Rohstoffe. Man wird über uns nicht hinwegkommen.“

Für Helmut Petschar, Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter (VÖM), gebe der Lebensmittelhandel zunehmend vor, wie die Bauern zu produzieren hätten. Aufgrund der Handelsmacht werde der Druck immer größer, aktuell vor allem beim Tierwohl. Zugute komme das Thema Nachhaltigkeit der österreichischen Milchwirtschaft beim Export, schließlich geht jeder zweite Liter Milch aus Österreich ins Ausland. „Der vergleichsweise hohe Bio-Anteil in Österreich ist ein großer Vorteil und sichert unsere Exporte ab“, so Petschar. 

AusgabeRZ6-2024

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