„Der Kapitalmarkt ist für alle gleich“ 

Frauen ticken bei der Veranlagung anders als Männer, das zeigt eine aktuelle Studie der Raiffeisen KAG. Warum sie am Kapitalmarkt noch immer stark unterrepräsentiert sind, dafür gibt es viele Erklärungen. Mit einer breit angelegten Offensive – und keinen speziellen Produkten – will Raiffeisen mehr Frauen für das Thema sensibilisieren.

Frauen und den Kapitalmarkt zusammenzubringen, sei nach wie vor eine schwierige Übung, erklärt Hannes Cizek, CEO der Raiffeisen KAG, bei der Präsentation neuester Studienergebnisse: „Das Thema Geldanlage ist in der Welt von Frauen deutlich weniger präsent. Frauen haben weniger Interesse, damit auch weniger Wissen. Sie sind deutlich risikoaverser in der Veranlagung oder beurteilen Risiken anders und wählen daher risikoärmere Anlageformen.“ 

Know-how und Wissen stellen eine Barriere dar, daran habe sich in den vergangenen Jahren auch wenig geändert. So werden etwa Investments in Einzelaktien von Frauen häufiger als weniger riskant eingestuft als Investmentfonds; Männer erkennen die Vorteile der Risikostreuung öfters. 

Unterschied in der Selbstwahrnehmung

Das Interesse an Geldanlage ist bei Männern auch deutlich stärker ausgeprägt als bei Frauen, zeigt die repräsentative Onlineumfrage. Männer beschäftigen sich auch aktiver mit Kapitalmarkttrends und werden bei Finanzthemen öfters um Rat gefragt. Angesprochen auf einzelne Möglichkeiten und Formen der Geldanlage lässt sich auch ein deutlicher Unterschied in der Selbstwahrnehmung beim Fachwissen feststellen. „Bei Inflation und Kaufkraft gibt es noch weniger Unterschiede, aber wenn es um bestimmte Anlageformen geht, dann schätzen sich Frauen in ihrer Kompetenz deutlich niedriger ein“, berichtet Cizek. 

Das mangelnde Interesse, scheinbar fehlendes Finanzwissen und die geringeren finanziellen Mittel führen dazu, dass ein geringes Risiko und Kapitalgarantie für Frauen wichtige Entscheidungskriterien sind. Das habe wiederum Auswirkungen auf die Vermögensbildung, wie Cizek betont: „Aktienlastigere Produkte sind in der langfristigen Vorsorge natürlich die bessere Wahl. Hier sehen wir einen Auftrag an uns, mehr Aufklärung und Information zur Verfügung zu stellen.“ 

Unterschiedliche Erreichbarkeit

Doch wie und wo kann man Frauen für Finanzthemen am besten ansprechen? Online-Plattformen, auf denen man sich heutzutage sehr umfangreich zu Finanzthemen informieren kann, werden deutlich häufiger von Männern frequentiert. Das unterschiedliche Nutzerverhalten ist für Cizek überraschend. Zudem verspüren Frauen deutlich seltener das Gefühl, ihre Veranlagung allein zu tätigen. Im Umkehrschluss erkennt der CEO: „Die Berater spielen für Frauen in der Veranlagung eine größere Rolle. Frauen tendieren eher dazu, Entscheidungen gemeinsam zu treffen.“ 

Auf Basis dieser Erkenntnis hat die Raiffeisen KAG bereits heuer eine österreichweite Offensive unter dem Titel „Die fabelhafte Welt der Marie“ gestartet. Bei mehr als 20 Kundinnenveranstaltungen, Kooperationen mit Frauennetzwerken und Kongressen wurden über 2.600 Frauen erreicht. Die Vielzahl an Anfragen von den Raiffeisenbanken ließ die Raiffeisen KAG sogar an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, wie Daniela Uhlik-Kliemstein, Leiterin Digitale Medien & Vertriebsmanagement in der Raiffeisen KAG, erzählt: „Wir sind sehr froh, in den Austausch zu gehen. Wenn man Frauen gezielt anspricht, sind sie sehr offen für das Thema und werden im Nachgang auch sehr rasch aktiv.“ 

Offensive mit Testimonial

2024 wird die Offensive weiter ausgebaut, nicht nur im direkten Kontakt, sondern auch unterstützt durch eine Videoserie von Frauen für Frauen. Neben dem bekannten Testimonial Viktoria Schnaderbeck stehen auch viele unbekannte Vorzeigefrauen vor der Kamera. „Damit hoffen wir, das Thema noch präsenter und authentischer zu machen“, erklärt Uhlik-Kliemstein. Frauen sehen sich zwar oft als „Finanzminister“ in der Familie, würden dabei aber oft auf sich selbst vergessen. „Wir führen das auch darauf zurück, dass es wenig Vorbilder gibt und generell in unserer Gesellschaft wenig über Finanzen gesprochen wird.“ Die Videos sollen Denkanstöße geben und für Gesprächsstoff sorgen. Denn gerade aufgrund des Lohngefälles, Stichwort Gender Pay Gap, sei es für Frauen umso wichtiger, rechtzeitig Vorsorge zu treffen. Mit Beträgen ab 50 Euro monatlich ist das möglich. 

Die Raiffeisen KAG will mit ihrer Offensive neben den Kundinnen auch die Bankberater ansprechen. „Wir wollen gerade bei den männlichen Beratern eine Sensibilisierung dafür erreichen, dass es einen unterschiedlichen Beratungsansatz braucht. Frauen überlegen beispielsweise etwas länger und schließen nicht gleich beim ersten Beratungsgespräch ab“, erklärt Uhlik-Kliemstein. Sie weiß aber aus Erfahrung, wenn Frauen einmal den Schritt in der Kapitalmarktveranlagung wagen, dann ist das Verhalten von Frauen und Männern sehr ähnlich. 

Keine Frauenprodukte

Bei der Raiffeisen KAG hat man sich deshalb auch ganz bewusst gegen spezielle Frauen-Fonds entschieden. „Der Kapitalmarkt ist für alle gleich“, betont Karin Kunrath, Chief Investment Officer in der Raiffeisen KAG, und ergänzt: „Unsere Produktpalette deckt alle wichtigen Assetklassen und jeden Risikoappetit ab, da braucht es keine eigenen Frauenprodukte.“ Viel wichtiger sei es, den Kundinnen die Funktionsweise des Kapitalmarkts näherzubringen und Bewusstsein zu schaffen. Wichtigste Grundregel in der Wertpapierveranlagung sei Diversifikation, sowohl bei der Titelauswahl und beim Timing. 

Insgesamt sei aufgrund des anhaltenden Niedrigzinsumfelds das Interesse an Wertpapieren in den vergangenen Jahren gestiegen. Frauen würden vor allem in Mischfonds und Nachhaltigkeitsfonds investieren. Aufgrund der konjunkturellen Eintrübung und geopolitischer Unsicherheiten seien gemischte Fonds jetzt besonders interessant. Kunrath ist überzeugt: „Für jene Frauen, die weniger Risiken eingehen möchten, könnte 2024 für ein Investment in einen Anleihefonds oder einen gemischten Investmentfonds ein gutes Einstiegsjahr sein.“ 

AusgabeRZ49-2023

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