Schülergenossenschaften: Kooperatives Unternehmertum erlernen

2021 wurden in Österreich die ersten beiden Schülergenossenschaften gegründet. Seither hat sich das Erfolgsmodell aus Deutschland auch hierzulande bemerkenswert entwickelt.

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2025 wurde von den Vereinten Nationen als 2. Internationales Jahr der Genossenschaften ausgerufen. Ziel ist es, genossenschaftliche Werte wie Solidarität, Eigenverantwortung und Nachhaltigkeit wieder vermehrt in den gesellschaftlichen Fokus zu rücken und auf die Vorteile der Unternehmensform Genossenschaft aufmerksam zu machen.

Ein mittlerweile seit mehreren Jahren bewährtes Instrument, um die genossenschaftliche Idee bekannter zu machen, sind Schülergenossenschaften. Die Idee: Im geschützten Raum der Schule gründen Jugendliche ein simuliertes Unternehmen und betreiben dieses weitestgehend eigenständig. Begleitet durch Lehrkräfte können die Schüler eigenständige Geschäftsideen entwickeln, Businesspläne verfassen sowie Organisationsstrukturen und Arbeitsabläufe erarbeiten. Wie bei echten Unternehmen werden Vorstände und Aufsichtsräte gewählt.

„Königsdisziplin der Schülerfirmen“

Das klingt an sich nicht neu, gab es doch in Österreich bereits mehr als 800 Übungsfirmen und mehr als 350 Junior Companys. Der Unterschied dazu liegt in den genossenschaftlichen Prinzipien. Schülergenossenschaften orientieren ihre Arbeitsweise an der Rechtsform einer Genossenschaft und verbinden so ihr wirtschaftliches Handeln mit demokratischen, sozialen und ökologischen Grundsätzen. Dabei darf auch die Kontrolle durch einen Revisionsverband nicht fehlen. 

Ein effektives Konzept, das vom früheren Bildungsminister Heinz Faßmann im Raiff­eisenzeitung-Interview 2021 als „Königsdisziplin der Schülerfirmen“ geadelt wurde.

Einzigartige Bandbreite

Manuel Hanselmann, Leiter der Stabstelle „Kompetenzzentrum Genossenschaft“ im ÖRV, sieht das Alleinstellungsmerkmal von Schülergenossenschaften vor allem in den Fähigkeiten, die den Schülern vermittelt werden: „Die Schüler lernen unternehmerische Kompetenz, betriebswirtschaftliche Kompetenz und Kooperationskompetenz, man muss wirklich zusammenarbeiten. Diese Bandbreite ist schon einzigartig.“ Weil üblicherweise alle Mitglieder unabhängig von ihrem Alter oder ihrer Rolle in der Schülergenossenschaft eine Stimme bei der Generalversammlung haben, wird auch das Verständnis für demokratische Prozesse sowie das Zugehörigkeitsgefühl gestärkt.

Ursprünglich wurde das Modell in Deutschland, der Heimat Friedrich Wilhelm Raiff­eisens, entwickelt und 2006 die erste Schülergenossenschaft gegründet (mittlerweile sind es rund 215). Es sollte 15 Jahre dauern, bis es auch hierzulande so weit war: 2021 wurden auch in Österreich die ersten beiden Schülergenossenschaften aus der Taufe gehoben. Mit dem Geschäftszweck, Funktionskleidung für den Schulbetrieb einzukaufen und zu vertreiben, gingen Schüler der Försterschule Bruck/Mur in der Steiermark an der Start. An der MBLBA St. Florian in Oberösterreich wurde ein fahrbarer Stall für Legehennen gebaut, um Eier an die Schulküche zu vermarkten.

„Man braucht motivierte Schüler, aber vor allem engagierte Lehrer, die das Ganze betreuen, sowie die Rückendeckung von der Direktion.“

Manuel Hanselmann

Rasante Entwicklung

Die heimischen Schülergenossenschaften gehen auf ein vom Österreichischen Raiffeisenverband (ÖRV) initiiertes Pilotprojekt namens „Genossenschaft macht Schule – Kooperativ wirtschaften lernen“ zurück, das gemeinsam mit den Ministerien für Bildung und Landwirtschaft, dem Österreichischen Genossenschaftsverband (ÖGV) und dem Wohnbauverband (GBV) entwickelt wurde. Seit dem Start vor rund dreieinhalb Jahren hat sich einiges getan: Mittlerweile gibt es in Oberösterreich, Niederösterreich, Wien, Salzburg, Tirol, Kärnten und der Steiermark insgesamt 21 Schülergenossenschaften, weitere kommen laufend hinzu. 20 davon werden von Raiffeisen betreut, eine vom ÖGV. „Bis auf Vorarlberg und das Burgenland gibt es in allen Bundesländern Schülergenossenschaften, aber auch dort gibt es zurzeit starke Bestrebungen“, weiß Hanselmann.

Die Bandbreite der Geschäftsfelder in den Schülergenossenschaften ist groß: Sie reicht von Fairtrade-Kaffee, Kerzen aus nachhaltigem Bienenwachs und regionalen Fruchtsäften über kostengünstige Schulutensilien bis hin zu Pflanzenkohle und einem regionalen Online-Marktplatz. Mit Nachhilfeunterricht für Schüler befasst sich die Salzburger Schülergenossenschaft „JOHAKademie“ und wurde dafür erst Ende 2024 mit dem dritten Platz beim Bundesfinale des „We Grow Together“-Next Generation Awards ausgezeichnet.

Langfristig gedacht

Was Schülergenossenschaft noch auszeichnet: Es gibt kein Ablaufdatum. „Schülergenossenschaften sind auf unbeschränkte Zeit angelegt, das ist der große Unterschied. Sie werden nicht aufgelöst, sondern von den nachfolgenden Jahrgängen weitergeführt“, erklärt Hanselmann. Der Erfolg hänge dabei ganz stark von drei Faktoren ab: „Man braucht motivierte Schüler, aber vor allem engagierte Lehrer, die das Ganze betreuen, sowie die Rückendeckung von der Direktion.“ Eine wichtige Rolle spielen darüber hinaus die echten Partnergenossenschaften, wie etwa eine Raiff­eisenbank oder ein Lagerhaus. Auch der Elternverein kann involviert sein.

Dass Schülergenossenschaften gut ankommen, hat eine Studie des Forschungsinstituts für Kooperationen und Genossenschaften der Wirtschaftsuniversität Wien Anfang 2024 verdeutlicht. Immerhin 85 Prozent der Betreuungslehrkräfte zeigten sich mit der bisherigen Entwicklung ihrer Schülergenossenschaften „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“. Geplant ist, Schülergenossenschaften fix im HAK-Lehrplan ab 2026 zu verankern.

AusgabeRZ3-2025

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