Jazzfans aus ganz Europa sind es gewohnt, dass die „Inntöne“ immer zu Pfingsten über die Bühnen des swingenden Bauernhofes in Diersbach gehen. Zumindest in dem Punkt hat sich die Pandemie durchgesetzt, heuer wird das Festival, bei dem man die Stars von morgen entdecken kann, vom 30. Juli bis 1. August stattfinden (das komplette Programm gibt es auf inntoene.com). Dass überhaupt gejazzt, gesungen und improvisiert wird, ist der kreativen Hartnäckigkeit von Paul Zauner zu verdanken.
Sie wurden vom einflussreichen Blog „marlbank“ zu den zehn wichtigsten Jazz-Influencern 2020 gekürt. Wie kam es dazu?
Zauner: Im Ausland – speziell in England, aber auch in den USA – wird viel mehr beachtet, was ich mache. Dass Festivals wie die Inntöne, aber auch das in Passau, für das ich verantwortlich bin, trotz Pandemie über die Bühne gehen konnten, hat sie wohl bewogen, so zu entscheiden. Das Festival in Passau haben wir spontan erweitert, das war das erste seiner Art, das in der Pandemie stattfand. Dazu kommt die Qualität, die bei uns geboten wird.
Wer Sie und Ihr Wirken beobachtet, kann zu dem Schluss kommen, dass Sie sich partout nicht von dem Virus unterkriegen lassen wollen.
Zauner: Mir ist die Problematik rund um die Viren und deren Mutationen sehr wohl bewusst. Mir ist aber auch bewusst, dass die seelische Gesundheit dafür sorgt, dass sie sich nicht so stark ausbreiten können. Die seelische Gesundheit stärkt den Körper, so dass er weniger angreifbar ist. Die Kunst, die Kommunikation zwischen den Menschen, sorgt genau für diesen Prozess. Die Leute dürfen nicht in Lethargie verfallen, man muss bei allem Furchtbaren, das die Pandemie anrichtet, in Bewegung bleiben, widerstandsfähig bleiben. Musik und Festivals sind zum Teil emotionale Erlösungen für die Menschen.
Mit Musik die Pandemie bekämpfen?
Zauner: Ich will nichts bekämpfen, das ist nicht mein Ansatz. Ich will dafür sorgen, dass die Viren auf einen gesunden Körper treffen und keinen Angriffspunkt haben. Das trifft es besser. Wie bei einem asiatischen Kampfsport, bei dem der Abwehrende die Energie des Angreifers aufnimmt und umlenkt.
„Schwierige Zeiten sind oft die kreativsten Zeiten.“
Paul Zauner
Sie haben 2020 die Inntöne in abgespeckter Form und zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden lassen und sprachen nachher davon, dass es musikalisch eines der besten Festivals überhaupt war.
Zauner: Schwierige Zeiten sind oft die kreativsten Zeiten. Wenn alles normal und glatt abläuft, wird man schnell bequem. Interessant war, dass ich schon 2019, ein dreiviertel Jahr vor der Pandemie, gespürt habe, dass ich das Programm reduzieren muss. Mit weniger Aufwand. Größer, schneller, weiter, das konnte nicht ewig so weitergehen. Also habe ich um 30 Prozent abgespeckt. Das kam mir dann natürlich zugute. Auch wenn schnell klar war, dass sich ein Festival unter diesen Rahmenbedingungen finanziell nicht rentieren kann.
Wie gehen Sie es für 2021 an?
Zauner: Das Programm 2020, als wichtige Bands plötzlich absagen mussten, hat mich total gefordert. Ich musste noch intensiver recherchieren: Wo gibt es unentdeckte Musikgrößen? Ich habe mich richtig dahintergeklemmt und bin in Ländern wie Frankreich, Spanien oder Slowenien, in denen das Reisen etwas einfacher war, extrem fündig geworden. Künstler, die ich vorher noch nie gehört habe, kamen zu uns und haben unglaublich gespielt. Da dachte ich mir: Das Ganze hat auch etwas Gutes. Raus aus der Bequemlichkeit, Ärmel hochkrempeln! Heuer habe ich es wieder so gemacht, es geht ja auch um eine gewisse Erneuerung der Musik und der Gedanken. So kann man ein maximal gutes Programm kreieren.
Die Pandemie ist noch nicht vorüber, Regeln sind nicht in Stein gemeißelt. Haben Sie immer auch einen Plan B im Kopf?
Zauner: Jaja, immer! Jeder Jazz-Musiker ist ein Improvisator. Dinge, die einen normalen Menschen aus dem Gleis hauen, sehe ich als normale Herausforderung. Egal ob Plan B, C, D oder E – es muss immer alles zielgerichtet gelöst werden, um das Maximum herauszubringen.
Wie viele Tickets dürfen Sie heuer verkaufen?
Zauner: Theoretisch 3.000 pro Tag, ich werde aber auch dort reduzieren und maximal 1.000 verkaufen. Wir werden, wie immer, gut besucht sein, da mache ich mir keine Sorgen. (lacht) Es gibt ja Leute, die sich nur wegen unseres Festivals ein Zelt oder sogar einen Campingbus kaufen, damit sie hier übernachten können. Wir sind in einem guten Flow.
Sind Ihnen durch die Pandemie eigentlich Sponsoren abhandengekommen? Ohne die wäre so ein Festival ja nicht möglich.
Zauner: Nein, Gott sei Dank nicht. Auch die Raiffeisenbank hält mir die Treue. Wenn ich zu meiner Raiffeisenbank in Schärding gehe, ist es wie ein Besuch bei Freunden. Was geschäftlich zu tun ist, erledigen wir, eine angenehme Kooperation auf Augenhöhe.
Sie haben kürzlich auf der Homepage verlautbart, dass der Vorarlberger Pianist David Helbock und die französische Sängerin Camille Bertault kommen – treten die beiden als Duo auf?
Zauner: Ja, das wird eine Premiere. Ich bin im Internet auf Camille Bertault gestoßen, die hat einen Trompeter in ihrem Trio, den ich sehr gerne mag, von dem ich aber dachte, dass er nicht ganz dazu passt. Jedenfalls hatte genau dieser Trompeter keine Zeit, sodass sie für die Inntöne abgesagt haben. Das habe ich der Managerin von David Helbock erzählt, und so entstand die Idee, dass die beiden ja als Duo auftreten könnten. Wunderbar, was sich alles ergibt, wenn man sich für das Bestmögliche einsetzt.
Ein schöner Zufall.
Zauner: Zufall … Was ist Zufall? Wo geht die Energie hin? Das was man wirklich will, bewusst oder unbewusst, bewirkt schon etwas. Wenn mir eh alles wurscht ist, kommt auch nichts daher.
Eine echte Wucht ist der schottische Pianist Fergus McCreadie.
Zauner: Unglaublich! Wahnsinn! Ich habe auf der Plattform jazzed ein Video von ihm gesehen und dachte mir: Der ist ja unfassbar! Dann habe ich ihn via Facebook kontaktiert und er hat zugesagt. Er ist übrigens ein guter Freund von Luca Manning, der mit seiner Band kommt. Der ist gerade mitten in einem musikalischen Wandel – etwas poppig, aber wunderbar.
Vor einem Jahr haben sie von Paulette McWilliams geschwärmt, die dann aber wegen der Reisebeschränkungen nicht kommen konnte. Diesmal scheint es zu klappen.
Zauner: Auf die freue ich mich wahnsinnig. Sie singt im Grenzbereich zwischen R&B und Jazz, genau dort liegt ihre Stärke. Ähnlich wie bei Gregory Porter. Paulette hat schon mit Michael Jackson zusammen gesungen, ihr Auftritt wird ein echtes Highlight. Sehr gespannt bin ich auch auf die junge Polin Hania Rani, die wollte ich unbedingt solo haben. Die wird in ihrer Heimat schon ziemlich gefeiert und wird auch international schon bald den Durchbruch schaffen, davon bin ich überzeugt.