„Jeder kann etwas ändern“

Welchen Beitrag Green Banking auf dem Weg zur Dekarbonisierung der Wirtschaft leisten kann, welche Hürden genommen werden müssen und warum das viel Arbeit bedeutet, wurde heuer beim erstmalig veranstalteten „Banken-Symposium Wachau Spezial“ beleuchtet.

Das Publikum erhielt spannende Einblicke ins Green Banking.
(c) BWS/Wolfgang Simlinger

Die Finanzindustrie spielt beim Kampf gegen den angeheizten Klimawandel eine zentrale Rolle und ist ein wichtiger Motor für den Umbau der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit. Das geht weit über „grüne Finanzprodukte“ hinaus und erfordert enorm viel inhaltliche Arbeit, um Finanzströme, Unternehmensprozesse und Investmentstrategien auf das Fernziel Klimaneutralität auszurichten, waren sich die Experten beim erstmals veranstalteten „Banken-Symposium Wachau Spezial“ im Stift Göttweig einig, das sich dem Zukunftsthema „Green Banking“ widmete. „Alles Leben am Planeten basiert auf einem fragilen Gleichgewicht vieler Faktoren. Die letzten Jahre und Jahrzehnte geben vermehrt den Eindruck, dass hier etwas aus den Fugen geraten ist. Wenn es in Kanada 50 Grad Celsius im Schatten hat, dann ist es nicht mehr normal“, umriss Mario Offenhuber, Organisator des Banken-Symposiums Wachau, in seiner Eröffnungsrede die Rahmenbedingungen.

Mario Offenhuber beim Banken-Symposium Wachau
Mario Offenhuber (c) BWS/Wolfgang Simlinger

Die drängenden Herausforderungen bestätigt auch die WWF-Sustainable-Finance-Expertin Erika Singer. Die von Menschen freigesetzten Treibhausgase tragen wesentlich dazu bei, dass sich die Erdatmosphäre aufheize und zu extremen Klimaveränderungen führe. „Die jährlichen CO2-Anstiegsraten in den letzten 60 Jahren waren hundert Mal höher als in den Jahren davor“, konstatiert die Expertin. Diese extrem starke Zunahme der Treibhausgase habe das Klima auf der Erde aus dem Gleichgewicht gebracht. „Treibhausgase sind wie Schulden, die nicht zurückbezahlt werden. Sie kumulieren und haben eine sehr lange Abbaurate“, so Singer. Nur 1 Prozent der CO2-Emissionen werde jährlich abgebaut. Besonders besorgniserregend sei der globale Temperaturanstieg. Wenn man sich wissenschaftliche Szenario über die Folgen ansieht, dann weiß man, dass jedes Zehntel Grad zählt, um das Leben zu erhalten, so wie wir es kennen“, sagt Singer.

Erika Singer beim Banken-Symposium Wachau
Erika Singer (c) BWS/Wolfgang Simlinger

Es müsse alles getan werden, um die Erhitzung auf den Zielwert von maximal 1,5 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts zu begrenzen – derzeit steuere man auf eine Erhitzung von 3 Grad zu. Wenn man dieses Ziel nicht erreiche, setze sich die Menschheit dem Risiko von sogenannten „Kipppunkten“ aus. Kipppunkte beschreiben Belastungsgrenzen für bestimmte Systeme, werden sie überschritten, dann kippen sie und bringen unvorhersehbare Folgen. Die Klimaveränderung sei mittlerweile überall sichtbar, auch in Österreich. „Die Anzahl der Umweltkatastrophen hat sich in den letzten Jahren mehr als verdreifacht“, sagt Singer. Dabei gehe es um den Vergleichszeitraum 1980 bis 2018. Es müsse sehr schnell reagiert werden, das Zeitfenster werde immer enger. Vor allem der Wirtschaft, die für drei Viertel der CO2-Emissionen verantwortlich ist, komme eine zentrale Rolle im Kampf gehen den Klimawandel zu. „Die Lösung ist die gemeinsame Veränderung, also ein Zusammenspiel zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft“, so Singer.

 „Beginnen, beginnen, beginnen“

Dieter Aigner

Die bevorstehende Dekarbonisierung der Wirtschaft beinhaltete für den Finanzsektor ernsthafte Risiken etwa für das Kredit- und Veranlagungsportfolio, aber sie bietet auch interessante Chancen. Der Green Deal der EU sieht den Investitionsbedarf von 1 Billion Euro bis zum Jahr 2030 für die Transformation der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität vor. Nach Grobschätzungen des Beratungsunternehmens zeb führt das in Europa zu einem Banken-Wallet von rund 26,6 Mrd. Euro pro Jahr. Laut Dieter Aigner, Geschäftsführer der Raiffeisen Capital Management, führt an diesem Zukunftsthema kein Weg vorbei. „Nachhaltigkeit bedeutet einen verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen. Dabei ist es wichtig, dass es kein Schwarz oder Weiß gibt. Zement und Stahl werden wir immer brauchen“, stellt der Veranlagungsexperte klar.

Dieter Aigner beim Banken-Symposium Wachau
Dieter Aigner (c) BWS/Wolfgang Simlinger

Auch wenn nicht alle Gesetze, Verordnungen und Definitionen beim Thema Nachhaltigkeit vorhanden seien, gehe es darum entsprechende Zielsysteme, Policies und Messsysteme im Unternehmen zu entwickeln und zu leben. „Jeder kann etwas ändern“, betont Aigner. Wichtig sei es ins Tun zu kommen. Viele Unternehmen fangen aus Marketing-Gründe etwa mit Greenwashing an, beschäftigen sich dann aber intensiver mit dem Thema. „Das ist mir viel lieber, als wenn gar nichts passiert“, so Aigner. Grundsätzlich sei viel Arbeit notwendig, um die Ansätze zu entwickeln und es im Unternehmen auch zu leben. So greife etwa der Investmentansatz, nur mit Ausschlüssen von einzelnen Themen wie Kohle und Tabak zu arbeiten, Aigner zufolge viel zu kurz, um nachhaltige Veranlagungsprodukte zu schnüren. Vielmehr gehe es darum, einen gesamtheitlichen Ansatz im Investmentprozess bei den breiteren ESG-Themen (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) zu finden. 

Bei RCM beschäftige sich mittlerweile jeder Fondsmanager mit dem Thema Nachhaltigkeit. „Wir versuchen in unseren Portfolios eine eigene Logik zu entwickeln und diese dann auch zu leben“, so Aigner. Dazu gehöre es, durch aktives Vermögensmanagement sich ehrlich mit den diversen Themen wie Energiemix zu beschäftigen und auch in einen Dialog mit den Unternehmen zu treten, in denen man investiert sei. „Das Berufsbild des Fondsmanagers geht vom Investmentspezialisten zum Nachhaltigkeitsexperten“, so Aigner. Denn in den letzten Jahren habe sich die nachhaltige Geldanlage zu einem Mega-trend entwickelt. Das spüre auch RCM deutlich. Von den insgesamt rund 45 Mrd. Euro Assets under Management seien knapp 13 Mrd. Euro bereits unter nachhaltigen Gesichtspunkten veranlagt, Tendenz steigend, so Aigner, der zum Schluss einen einfachen Rat an das Fachpublikum hatte: „Beginnen, beginnen, beginnen!“

Regulatorischer Druck

Dass das Thema Nachhaltigkeit aus der Finanzindustrie nicht mehr wegzudenken sein wird, bestätigte auch auch Rechts­anwalt Thomas Ruhm. Die EU habe 2018 mit ihrem „Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ die Berücksichtigung umweltbezogener und sozialer Erwägungen bei Investitionsentscheidungen verankert. Es gehe darum, die Kapitalflüsse in Richtung nachhaltiger Investitionen umzulenken, finanzielle Risiken aus dem Klimawandel zu bewältigen und dabei die Transparenz und Langfristigkeit von Finanztätigkeiten zu fördern. 

Regulatorisch hat das Thema ja tatsächlich einiges zu bieten: Taxonomie-Verordnung, Offenlegungs-Verordnung, Referenzwerte-Verordnung oder die seit Ende Juni 2021 geltenden neuen Guidelines der European Banking Authority zur Vergabe und Überwachung von Krediten – um nur die allerwichtigsten Punkte zu nennen. Rechtsanwalt Thomas Ruhm wies in seinem Vortrag eindringlich darauf hin, dass die Geschäftsleitung einer Bank verantwortlich ist, einen umfassenden Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken zu implementieren. 

Das Fazit der Symposiums war die klare und eindringliche Botschaft, dass der Kampf gegen den Klimawandel die Banken in den kommenden Jahren entscheidend prägen wird. Allerdings stehen großen Chancen auch nicht unbedeutende Risiken gegenüber. „Und obwohl noch nicht alles regulatorisch durchgeregelt ist und die Datenlage zur Berechnung von exakten CO2-Exposures noch nicht ausreicht, sind Banken angehalten, das Thema aufzugreifen – im Risikomanagement, in der Positionierung, Kreditvergabe und Asset Management. Vor allem aber im Bewusstsein, dass Geld eine enorme Lenkungswirkung hat“, resümierte Organisator Mario Offenhuber.