„Vereine sind keine Auslaufmodelle“

Günther Barkowits ist Geschäftsstellenleiter der Raiffeisenbank Völkermarkt und Obmann des VST 1868, einem der größten Sportvereine Kärntens. Im Interview spricht er über die Wichtigkeit des Vereinslebens, das Verwalten eines 500.000-Euro-Budgets und Karrieren, auf die er besonders stolz ist.

Günther Barkowits
Günther Barkowits © Delia Barkowits

Dieser Mann steht für Kontinuität. Seit 50 Jahren ist Günther Barkowits Mitglied beim Völkermarkter Sport- und Turnverein (VST), dessen Geschicke er seit 2019 als Obmann bereits zum zweiten Mal leitet (seine erste Ära ging von 2002 bis 2012). Und bei Raiffeisen ist der 61-Jährige auch bereits seit 1982 an Bord. „In Völkermarkt verbindet man den Namen Barkowits mit Raiffeisen und dem VST“, erzählt er lachend. „Zumal mein Vater sowohl als Obmann als auch als Raiffeisen-Geschäftsstellenleiter zu meinen Vorgängern zählte.“

Oft bekommt man das Gefühl, Vereine seien Auslaufmodelle. Die Jugend schwer zum Sport zu motivieren, fürs Ehrenamt lässt sich kaum wer begeistern. Können Sie das mit Ihrer langjährigen Erfahrung als Obmann bestätigen?
Günther Barkowits: Sie nennen zwei Phänomene, die ich trennen würde. Vereine an sich sind keine Auslaufmodelle, ganz im Gegenteil. Gerade durch Corona haben sie eine Renaissance erlebt. Sozialpolitisch hatten wir da eine ganz große Bedeutung, weil es uns gelungen ist, das Vereinsleben so gut es ging aufrechtzuerhalten. Wo ich Ihnen aber recht gebe: Die Rekrutierung von Ehrenamtlichen wird immer schwieriger. Wobei wir beim VST fast schon die positive Ausnahme sind.

Dabei heißt es immer: Kinder und Jugendliche haben durch zahlreiche Ablenkungen keine Lust mehr, in einen Verein zu gehen.
Barkowits: Ich habe vor ein paar Wochen erhoben, wie viele Trainings-Einheiten wir pro Jahr anbieten. Nach der Logik: eine Einheit, zehn Kinder, wenn das zehnmal passiert, sind es 100 Einheiten. Da kommen wir auf 50.000 Einheiten. Das ist irre! Wir haben eine tolle Leichtathletik-Sektion, die die Kinder schon im Volksschulalter zum Verein bringt. Beim Eishockey, Fußball oder Tennis haben wir sehr gute Nachwuchs-Abteilungen, die sich schon um die Kleinsten kümmern. Wir sind da top aufgestellt.

Insgesamt gibt es neun Sektionen mit mehr als 600 aktiven Sportlern …
Barkowits: In Relation zu unserer Einwohnerzahl in Völkermarkt von etwa 11.000 Menschen gehören wir nicht nur zu den größten Vereinen Kärntens, sondern in ganz Österreich. Bei uns hat jede Sektion Budget-Autonomie, wir als Verein übernehmen sogenannte Overhead-Kosten wie Versicherungen, Busse oder die Kantine.

Die Sektionen reichen von Fußball über Schach bis zum Eisstockschießen. Eine bewusste Bandbreite, um viele Teile der Bevölkerung anzusprechen?
Barkowits: Das ist historisch gewachsen. Den VST gibt es seit 1868, wir hatten auch mal eine Schwimm-, Volleyball- oder Basketball-Sektion, die sind dann wieder verschwunden. Wir verschließen uns auch nicht, wenn es Bestrebungen gibt, etwas Neues entstehen zu lassen. Das Besondere ist, dass es in unserer Stadt keinen weiteren Sportverein gibt, weil wir schon alles abdecken.

Sponsert Raiffeisen den Gesamtverein oder einzelne Sektionen?
Barkowits: Sponsoreneinnahmen wie die von Raiffeisen gehen an den Gesamtverein, mir als Obmann obliegt es dann, die Gelder zu verteilen. In diesem Zusammenhang ist mir eines ganz wichtig: Kein Sponsor-Euro ist so wertvoll wie der, der für Sport, Jugendliche und sinnstiftende Freizeitbetätigung investiert wird. Davon bin ich felsenfest überzeugt.

„Kein Sponsor-Euro ist so wertvoll wie der, der für Sport, Jugendliche und sinnstiftende Freizeitbetätigung investiert wird.“

Günter Barkowits

Ein Vater hat ja all seine Kinder gleich lieb. Aber liegt Ihnen eine Sektion besonders am Herzen?
Barkowits: Man sagt mir gelegentlich, und das sehe ich als Kompliment: Du kommst aus dem Fußball und schaust zu wenig auf die Kicker. Meine Aufgabe ist, ausgleichend zu agieren, selbst wenn meine persönliche Affinität beispielsweise zum Tennis größer ist. Für einen Obmann ist die Liebe zum Sport essenziell, außerdem braucht es wirtschaftliches Verständnis. Wir machen im Jahr 500.000 Euro Umsatz, das ist wie ein Unternehmen. 

Sie sind seit 2019 zum bereits zweiten Mal Obmann, der Aufwand für diese Tätigkeit ist nicht zu unterschätzen. Haben Sie mal bereut, sich dem Stress auszusetzen?
Barkowits: (lacht) Natürlich gibt es Momente, in denen ich sage: Warum tue ich mir das an? Wenn ich aber am Abend ins Stadion fahre und sehe, wie dort Dutzende Kinder am Platz herumtollen, geht mir das Herz auf. Dann denke ich: Das ergibt alles einen Sinn. Außerdem gehört es zu den Genen von Raiffeisen, dass man im Ort verankert und verwurzelt ist und eine ehrenamtliche Funktion ausübt. (schmunzelt) Mittlerweile bin ich der längstdienende Obmann, den der VST je hatte, das macht mich schon stolz.

Der VST hat einige Sportler hervorgebracht, die später zu Stars wurden. Die Läuferin Stefanie Graf, den Fußballer Gilbert Prilasnig, aktuell stehen die Lobnig-Schwestern beim Rudern im Rampenlicht.
Barkowits: Mit Gilbert Prilasnig, der mittlerweile Nachwuchsleiter bei Sturm Graz ist, habe ich sogar noch zusammen gekickt. Mir taugt vor allem, wenn die Sportler nicht vergessen, wo sie herkommen und auch später noch Vereinsmitglieder sind. Katharina und Magdalena Lobnig zum Beispiel sind immer noch da, wohnen direkt bei uns am Stausee, der ja zu den schönsten Rudergewässern
Österreichs gehört. Zusammen mit der Gemeinde betreiben wir ja auch ein Leistungszentrum. Oft kommen Weltklasse-Athleten hierher, um zu trainieren, das verstehen wir als Auszeichnung.

In der Gesellschaft gab es in den letzten 15 Jahren eine digitale Revolution, viel hat sich verändert. Gilt das auch für das Vereinswesen?
Barkowits: Gott sei Dank nicht so stark! Sport bleibt Sport. Natürlich nutzen wir elektronische Medien für Reservierungen am Tennisplatz, wir haben auch eine Homepage und Social-Media-Kanäle. Aber wir leben in unserer Kleinteiligkeit noch immer vom persönlichen Kontakt. Man kennt den Obmann, man kennt den Kassier, ich werde in der Stadt immer wieder auf den VST angesprochen. Und eins ist auch klar: Aufs Tor schießen muss ich immer noch mit den eigenen Füßen.