Wohlbefinden im Portfolio

Gesundheit und Foodtrends waren die großen Themen beim 4. Raiffeisen-Nachhaltigkeitssymposium. Wie in der Medizin wurde ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt.

Daniela Knodt, Susanne Erkens-Reck, Moderatorin Silvia Schmidt und Lydia Reich diskutierten über eine nachhaltige Pharmaindustrie.
Daniela Knodt, Susanne Erkens-Reck, Moderatorin Silvia Schmidt und Lydia Reich diskutierten über eine nachhaltige Pharmaindustrie. (c) Raiffeisen KAG/Klaus Bauer

In den vergangenen Jahren stand bei den Raiffeisen-Nachhaltigkeitssymposien Plastikvermeidung, Digitalisierung und Energieeffizienz im Zentrum. Heuer widmete sich das zweitägige zertifizierte Green Event dem Sozialen im ESG-Bereich. Mehr als 300 Kundenberater haben die Tagung zum Thema Gesundheit und Wohlbefinden vor Ort und via Live-Stream mitverfolgt. Der Bogen spannte sich von Weltmarktführern in der Pharmaindustrie über persönliche Eindrücke aus dem österreichischen Klimarat, sportmedizinische Themen bis hin zu einer Zeitreise ins Alter und wie sich Gesundheit und Wohlbefinden auch im Portfolio wiederfinden können. „Nachhaltigkeit wird inflationär verwendet, umso wichtiger ist es für uns und im Kundenkontakt, unser nachhaltiges Verständnis zu transportieren – nicht nur in Produkte umsetzen, sondern auch Impulse mitgeben“, eröffnete Rainer Schnabl, CEO der Raiffeisen KAG, die Tagung. Nachhaltigkeit in der Finanzindustrie werde immer komplexer und die regulatorischen Verschärfungen wie die Befragung nach Nachhaltigkeits-Präferenzen führen auch bei Kunden zu Verunsicherungen, berichtet Schnabl. Er ist überzeugt: „In nächster Zeit wird Kundenberatern eine wichtige Rolle zukommen, um durch diesen Dschungel zu begleiten.“ 

Gerade auch beim Thema Gesundheit gibt es in Bezug auf Nachhaltigkeit viele verschiedene Aspekte und Herangehensweisen – durchaus auch wissenschaftlich-humorvolle, wie Martin Moder beim Symposium unter Beweis stellte. Der Molekularbiologe und Science-Buster erklärte, wie sich genetische Veränderungen auf unser ökologisches Verhalten auswirken könnten. „Man muss den Menschen genetisch an den Klimawandel anpassen“, sagt Moder und liefert gleich einen Optimierungsplan, der vom Biss der Einsamen Sternzecke, die eine Fleischallergie auslöst, bis hin zur Verabreichung von wachstumshemmendem Vitamin A an Männer reicht. Sein Appell: „Geben wir uns Mühe, damit wir nicht gezwungen werden, diese Mittel anzuwenden.“ 

Innovationsprämie

Die ethische Vertretbarkeit ist auch ein Kriterium, um als Pharmakonzern als nachhaltig eingestuft zu werden. „Das Idealmodell ist natürlich ohne Tierversuche, aber es gibt auch regulatorische Erfordernisse zu erfüllen, bevor es Studien am Menschen gibt“, erklärt Daniela Knodt von ISS ESG. Geschäftsethik, Umgang mit Medikamentenrückständen, Lieferketten, Zugang zu Medikamenten sowie Forschung und Entwicklung sind weitere Elemente der Nachhaltigkeitsanalyse. Die Freigabe von Patenten wurde in Pandemiezeiten auch ein großes Thema. „Manchmal stellt man sich Patentauslieferungen zu einfach vor. Gerade in der Pandemie haben wir in einigen südlichen Ländern fixiert, dass wir unsere Patentrechte nicht einklagen werden. Aber es ist schwierig“, berichtet Susanne Erkens-Reck, Geschäftsführerin der Roche Austria GmbH. Warum Medikamente so teuer sind, ist für Erkens-Reck leicht erklärt: „Für ein Arzneimittel braucht es rund zwei Milliarden Euro an Entwicklungskosten, dabei sind neun von zehn ohne Erfolg. Bis zur Marktreife dauert es ungefähr zehn Jahre und die Patentlaufzeiten sind begrenzt.“ Forschende Arzneimittelhersteller müssten ihre Entwicklungskosten decken. Die Roche-Geschäftsführerin spricht gerne von einer „Innovationsprämie der Gesellschaft, um immer bessere Gesundheitsversorgung gewährleisten zu können“. 

Roche ist Indexleader in der Nachhaltigkeitsbranche und dementsprechend auch bei Raiffeisen-Nachhaltigkeitsfonds stark vertreten. „Gerade beim Zugang zu Medizin für Entwicklungsländer ist Roche führend und schon 1990 hat man CO2-Werte aufgezeichnet“, analysiert Lydia Reich, Fondsmanagerin bei der Raiffeisen KAG. Natürlich passen auch die finanziellen Kennzahlen.

Kein Sozialkapital

„Wir sind kein Unternehmen, das Sozialkapital zur Verfügung stellt, sondern wollen natürlich auch Rendite erzielen“, unterstreicht Dieter Aigner, Geschäftsführer der Raiffeisen KAG und seit 2021 auch Chief Sustainable Investment Officer. Gerade Pharmaunternehmen zeigen interessante Dividendenrenditen. Aigner erklärte, wie sich die wertebasierte Entscheidungsstruktur in der Fondsgesellschaft in den vergangenen Monaten verändert hat: „Nachhaltigkeit ist heute in sämtlichen Investmentprozessen integriert. Dabei geht der Trend hin zu themenbasiertem Investieren.“ Alle 65 Investmentmanager wurden in diesen Changeprozess einbezogen. Sie müssen sich nun mit nachhaltigen Themen beschäftigen und Ableitungen für das Investmentgeschäft treffen. Dabei gebe es zu vielen Kapiteln kein eindeutiges Ja oder Nein, sondern man muss einen Spagat schaffen, eine „Hausmeinung“ bilden und diese auch zu den Kunden transportieren. Diese Hausmeinung braucht es etwa zur Atomenergie genauso wie zur Waffenpolitik. Die daraus abgeleiteten Policys müssten aber auch laufend überarbeitet werden, so Aigner, denn: „Manche Themen sind wie ein Wimmelbuch, man entdeckt immer wieder Neues.“  

Blick bis zum Tellerrand

„Das Hier und Jetzt versteht man erst, wenn man sich mit der Zukunft beschäftigt“, findet Foodtrend-Forscherin Hanni Rützler. Dabei ist die „Linearitis“, also der Gedanke, dass der Trend immer in die gleiche Richtung geht, eine Gefahr für jeden Zukunftsforscher. Rützler beschäftigt sich schon lange mit der Esskultur und erkennt gerade einen massiven Wandel. Der Begriff „Regionalität“ werde neu verhandelt und das Thema Nachhaltigkeit breiter gesehen. „Wir reflektieren auf die Endlichkeit, also dass nicht immer alles da ist.“ Ein daraus abgeleiteter Foodtrend ist Zero Waste, wobei „der Begriff Abfall wird sich auflösen und zur Ressource“, so Rützler. Generell haben Veganer ethische Diskussionen angestoßen, die unsere Gesellschaft verändern. „Tierische Produkte waren in der Vergangenheit die Leitsubstanz in der Esskultur, aber rutschen nun deutlich an den Rand und werden zu Beilagen. Da wird auch das Thema Qualität stärker reflektiert“, so Rützler. 

Studien zeigen, dass die eher jüngeren Konsumenten auch offen für neue Esskonzepte mit Schnecken und Insekten sind. Mit rund 1.400 essbaren Arten gebe es theoretisch genügend Insekten für die gesamte Weltbevölkerung. Rützler ist aber klar: „Insekten sind nicht die Lösung, aber wir brauchen viele Lösungen für die weltweite Ernährung. Insekten sind da ein ganz mächtiger Schlüssel zur Lebensmittelversorgung.“ Der Kampf zur Rettung des Planeten werde jedenfalls zunehmend auf den Tellern gewonnen, so die Forscherin. 

All diese Foodtrends können auch auf Investment-Ebene begleitet werden, wie Fondsmanagerin Lydia Reich weiß. Das beginnt dabei bei der Landwirtschaft, wo man in Unternehmen mit automatisierter Landtechnik oder Bodenprobenanalysen bis Indoor-Farming investieren kann. „Indoor-Farming braucht viel Energie, aber ist wichtig für die Nahrungsmittelsicherheit, es ist Nähe zum Konsumenten möglich und man braucht keine Pestizide“, erklärt Reich. Viele Unternehmen wollen auch am Trend kultiviertes Fleisch und pflanzenbasierte Proteinquellen partizipieren. Obwohl sich 100 Start-ups in diesem Segment tummeln, sind die Investmentmöglichkeiten noch überschaubar. „Bis zur Marktreife wird es bei vielen noch eine Zeit dauern“, so Reich.