„Man darf nicht stehenbleiben“

Die Raiffeisenbankengruppe Oberösterreich holte sich im Design Center Linz Impulse für die kommenden Monate. Beratung, Nachhaltigkeit und Plattformökonomie stehen bei allen Aktivitäten klar im Fokus.

Holger Schmidt und Heinrich Schaller
Plattformökonomie-Experte Holger Schmidt im Gespräch mit RLB OÖ-Generaldirektor Heinrich Schaller. (c) RLB OÖ/Maringer

„Gerade dann, wenn es schwierig und herausfordernd wird, müssen wir als Raiffeisen Oberösterreich unsere Stärke als verlässlicher und stabiler Partner unter Beweis stellen“, eröffnete Volkmar Angermeier, Aufsichtsratspräsident der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, die „Marktimpulse 2022“. Die Herausforderungen kommen aktuell von vielen Seiten. „Aber mit unserem bankwirtschaftlichen Know-how, unserer Finanzstärke und unserem großen Netzwerk gelingt es jetzt schon, unseren Partnern zur Seite zu stehen“, so Angermeier. 

Das zeigt sich auch in den Halbjahresergebnissen der RBG OÖ, die etwa auf dem Niveau des Rekordjahres 2021 liegen. Sowohl im Finanzierungsbereich als auch bei den Einlagen verzeichneten die Raiffeisenbanken starkes Wachstum, wie Heinrich Schaller, Generaldirektor der RLB OÖ, berichtet. Er fordert aber gleichzeitig hohe Wachsamkeit: „Auch wenn es uns operativ richtig gut geht, müssen wir im Bankgeschäft in den nächsten Monaten gut aufpassen.“ Wirtschaftlich gehe man auf keine rosigen Zeiten zu: Einlagen gehen zurück und Finanzierungen gelte es doppelt zu prüfen. „Es ist vielleicht intensiver, wie wir das Kreditgeschäft betreiben müssen, aber es heißt nicht, dass wir uns zurückziehen“, unterstreicht Schaller. Selbst wenn einige Kunden in finanzielle Schwierigkeiten kommen, werde man sich anstrengen, gemeinsam durch diese Krise zu kommen und sie nicht fallen lassen. „Wir sind keine Bankengruppe, die den Regenschirm nur bei Sonne aufspannt“, verdeutlicht Schaller und sieht das als Teil der nachhaltigen Strategie. „Nachhaltigkeit ist nicht alleine Umwelt. Nachhaltigkeit heißt auch dort zu investieren, wo wir unsere Region in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht stützen und unterstützen können.“ 

Regionale Plattform

Wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammenspielen, soll die neue Plattform „Finde-R“ zeigen, mit der man im kommenden Jahr richtig durchstarten will. Es geht dabei darum, regionale Angebote mit regionaler Nachfrage zusammenzubringen und das Netzwerk von Raiffeisen zu nutzen. „Nachhaltigkeit und Plattformökonomie sind die Themen, die unsere Zukunft bestimmen werden“, ist Schaller überzeugt. Mit dem aktuellen Geschäftsmodell von Raiffeisen sei man zwar unschlagbar, aber „wir müssen weiterkommen, um auch in Zukunft unschlagbar zu sein“. Volkmar Angermeier sieht in den Themen Nachhaltigkeit und Plattformökonomie ebenfalls „wegweisende Pfeiler für den künftigen Unternehmenserfolg“: „Raiffeisen war, ist und wird – wenn wir die neuen Chancen nutzen – die zentrale Drehscheibe sein, wenn es darum geht, unsere Zukunft gemeinsam mit unseren Kunden zu gestalten.“ 

Jemand, der genau weiß, wie die Plattformökonomie die Wirtschaft verändert und der die Folgen für eine Regionalbank kennt, ist Holger Schmidt. Schmidt beschäftigt sich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit der digitalen Ökonomie und lehrt digitale Transformation an der TU Darmstadt und Plattformökonomie an der Executive School der Universität St. Gallen. Er kennt das simple Erfolgsrezept von Amazon, Google und Co: „Man darf nicht stehenbleiben. Plattformen sind heutzutage nicht mehr nur Marktplätze, sondern es geht um kuratierte Services.“ Während früher etwa Uber nur Personen von A nach B chauffiert hat, mache das Unternehmen heute mehr Umsatz mit Essenszustellung. Intuit hat ihr Buchhaltungssoftwarepaket um Bankdienstleistungen erweitert. Amazon hat seinen Umsatz durch die Öffnung für Drittanbieter so richtig getrieben. 

„Plattformen werden mit steigender Größe Profitabler“

Holger Schmidt

Der Erfolg von Plattformen hängt im Allgemeinen mit der Größe des Netzwerks zusammen. „Normalerweise werden Unternehmen, wenn sie größer sind, träge, aber bei Plattformen ist das anders. Plattformen werden mit steigender Größe besser und sind profitabler“, weiß Schmidt. Allerdings dauert es mindestens drei bis fünf Jahre, bis eine Plattform gewinnbringend tätig sein kann, manche brauchten dafür sogar mehr als zehn Jahre. „Plattform-Geschäfte sind wie Marathonläufe“, sagt der Experte und sieht in der Ungeduld auch die Erklärung, warum Europas Anteil unter der 100 weltweit erfolgreichsten Plattformen aktuell von drei auf zwei Prozent zurückgefallen ist. 75 Prozent der wertvollsten Plattformen haben ihren Ursprung in den USA. 

Ein weiteres Merkmal erfolgreicher Plattformen ist die offene Architektur. Man müsse sich Werte von außen auf die Plattform holen und sich davon lösen, dass man alles alleine kann. „Über den eigenen Schatten zu springen und andere zuzulassen ist wichtig. Diesen Sprung muss man machen.“ 

Größe im Kleinen

Aktuell gebe es eine starke Beschleunigung des Plattformgeschäfts – getrieben durch die Pandemie. Schmidt sieht vor allem im Bereich Finanzen und Mobilität noch viel Potenzial. Allerdings kommen die Angriffe auf die Bankenwelt von vielen Seiten. Auch die Big Five (Apple, Amazon, Google, Meta und Microsoft) versuchen in den Bankenmarkt einzudringen. 

Die Möglichkeiten einer Regionalbank sollten laut Schmidt aber keinesfalls unterschätzt werden: „Kuratierte Services wie Finanzierung, Handwerkervermittlung, Immobilienmarktplatz, Gesundheit oder Essen & Trinken lassen sich regional sicher besser abbilden als von den Großen.“ Er ortet im Moment ein Zeitfenster, denn Regionalität und Nachhaltigkeit in Verbindung mit einer Plattform gebe es noch nicht. Und genau da setzt „Finde-R“ an.  

Weg zum Alltagsbegleiter

Wie das genossenschaftliche Ökosystem von Raiffeisen OÖ konkret ausschaut, das haben im Anschluss Robert Preinfalk und Binjamin Sancar, das Vorstandsduo von Raiffeisen OÖ Ventures, gezeigt. Es geht um Themen wie Wohnen, Essen, Arbeitssuche oder Dienstleistungen, für die man auf „Finde-R“ regionale Lösungen anbietet. „Unser Anspruch ist, die Menschen in ihren Lebenswelten zu begleiten. Wir wollen uns vom finanziellen Nahversorger zum generellen Alltagsbegleiter weiterentwickeln“, so Preinfalk. Die Wertschöpfung soll dabei in der Region bleiben, das ist für Sancar auch die große Chance von „Finde-R“, um neben den Big Five zu bestehen: „Die gut funktionierenden Plattformen denken nicht regional. Wir sehen eine Nische, die wir authentisch besetzen können.“ 

Mehr Informationen zu Finde-R finden Sie unter: Förderauftrag neu interpretiert (RZ 31–32/4.8.2022)