Boomjahr für Bausparfinanzierungen

Das historische Wirtschaftsjahr 2022 bescherte der Raiffeisen Bausparkasse (RBSK) insbesondere im ersten Halbjahr einen regelrechten Run auf die Bauspardarlehen.

Ein Balkendiagramm zeigt die Finanzierungsleistung der Raiffeisen Bausparkasse

Mit mehr als 2,1 Mrd. Euro an vergebenen Bausparfinanzierungen war es für die RBSK das höchste Darlehensvolumen in ihrer über 60-jährigen Geschichte. Zum Vergleich: 2021 hatte das damalige Rekordfinanzierungsvolumen noch 1,5 Mrd. Euro betragen. Im Vorjahr stach besonders hervor, dass immer mehr Bauspardarlehen für Renovierung und Sanierung bzw. Um- und Zubau angefragt wurden. Lag dieser Anteil in den Jahren 2019 bis 2021 noch unverändert im unteren einstelligen Prozentbereich, hatte er sich im Vorjahr mehr als verdoppelt. So machte der Finanzierungsanteil von Zu- und Umbau 10,5 Prozent des Gesamtvolumens aus, wobei die durchschnittliche Darlehenssumme auf Jahresbasis um 25.000 Euro auf 98.000 Euro anstieg. Ein noch stärkeres Wachstum gab es im Segment
Sanierung und Renovierung mit einem Anteil von 13,7 Prozent und einer durchschnittlichen Kreditsumme von 173.000 Euro, ein Plus von 28.000 Euro auf Jahressicht.

Eine echte Trendwende für die RBSK brachte aber die Zinswende auf der Einlagenseite, die den Bausparern wieder deutlich mehr Freude bereitet. Mehr als 200.000 neu abgeschlossene Bausparverträge im Vorjahr läuteten das Comeback einer der beliebtesten Sparformen der Österreicher ein. Allein heuer im Jänner verzeichnete die Raiffeisen Bausparkasse ein deutliches Plus. Die Anzahl der abgeschlossenen Bausparverträge hat sich im Vergleich zum Vorjahr beinahe verdoppelt. Denn gerade in unsicheren Zeiten kann das Bausparen als krisenfeste Veranlagungsform punkten. Dass die finanzielle Vorsorge an Bedeutung gewinnt, belegt auch eine aktuelle IMAS-Umfrage. Demnach halten neun von zehn Österreichern diese für wichtig. Neben dem klassischen Sparbuch wird vor allem auf das Bausparen und die Lebensversicherung vertraut.

„Das Bausparen erlebt ein Revival“

RBSK-Geschäftsführer Christian Vallant im Interview
Christian Vallant im interview
RBSK-Geschäftsführer Christian Vallant im Interview (c) Roland Rudolph

2022 war auch in der Finanzwelt ein historisches Jahr. Wie entwickelte sich die Raiffeisen Bausparkasse?
Christian Vallant: Es war ein zweigeteiltes und außerordentliches, aber gutes Jahr. In der ersten Jahreshälfte wurden wir mit Finanzierungsansuchen überschwemmt, danach kam es fast zu einer Vollbremsung. In einem Normaljahr wickeln wir in der Regel um die 7.000 Finanzierungsansuchen ab, im ersten Halbjahr 2022 hatten wir bereits rund 9.000 Ansuchen im Haus. Danach gab es eine Vollbremsung. Im Gesamtjahr wurden letztlich über 10.300 Finanzierungsanträge bearbeitet. Damit konnten wir das Rekordfinanzierungsvolumen von 2021 noch einmal um rund 600 Millionen auf 2,1 Milliarden Euro toppen. 

Was waren die Gründe für die Vollbremsung?
Vallant: Neben der Inflation, dem kräftigen Zinsanstieg und der allgemeinen Unsicherheit waren vor allem die seit August 2022 geltenden strengeren Kreditvergabestandards für private Immobilienkäufer, die sogenannte KIM-Verordnung, dafür verantwortlich. Das ist der größte Unfug, den man sich in so einer wirtschaftlichen Lage denken kann. Am Beginn einer Schwächephase auch noch restriktive Maßnahmen zu erlassen, wirkt verstärkend. Im Schnitt verzeichneten wir danach Rückgänge bei der privaten Immobilienfinanzierung von bis zu 60 Prozent. Es ist nicht verwunderlich, dass die Menschen abwartend reagieren und verunsichert sind.

Welche Reibungspunkte gibt es bei der Verordnung?
Vallant: Wir haben immer mehr Fälle, die wir nicht finanzieren können. Der Hauptgrund für die Ablehnung der Anträge ist nicht die Beleihungsgrenze, sondern wie erwartet der Schuldendienst, der maximal 40 Prozent des Nettoeinkommens betragen darf. Nicht nur die Kreditraten steigen mit den Zinsen, auch die Haushaltskosten insgesamt haben zuletzt deutlich zugenommen, während die Einkommen damit nicht Schritt halten können. Ich habe jeden Tag Ausnahmeansuchen am Tisch. 

Wie wurde die Finanzierungsflut gestemmt?
Vallant: Wir gingen an unsere Belastungsgrenzen und auch das war zu wenig. Üblicherweise erhält jeder unserer Kreditsachbearbeiter ca. zwei Finanzierungsansuchen pro Tag, im Vorjahr gingen an einzelnen Tagen bis zu 20 Ansuchen pro Mitarbeiter ein. Vor allem bei den Bewertungen wurde es eng. Anstatt eine Finanzierung in drei bis fünf Tagen abzuwickeln, brauchten wir teilweise drei bis vier Wochen. Mit Unterstützung aus dem Sektor von der Realtreuhand und von Raiffeisen Immobilien – manchmal hatten wir bis zu 20 externe Bewerter im Haus – konnten wir den Rückstand im Herbst abarbeiten. So kehrten wir schrittweise wieder zu unseren üblichen Abwicklungsstandards zurück.

In Zeiten des Klimawandels sind Sanieren bzw. Renovieren immer wichtiger. Werden auch solche Vorhaben finanziert?
Vallant: Der Bereich Sanieren und Renovieren war bisher ein Stiefkind, allerdings ändert sich das zunehmend. Der Anteil solcher Finanzierungen stieg im Vorjahr auf 14 Prozent, wobei sich auch die durchschnittliche Finanzierungssumme auf rund 100.000 Euro verdoppelte. Die Bewusstseinsbildung für Nachhaltigkeit nimmt enorm zu. So ist etwa die Hälfte der Österreicher allgemein bereit, für das Thema Nachhaltigkeit Abstriche beim Wohnen in Kauf zu nehmen. 

RBSK.Geschäftsführer Christian Vallant im Interview
© Roland Rudolph

Wie hat die Bausparkasse in den letzten Jahren finanziert?
Vallant: Überwiegend mit Fixzinsdarlehen, die mit einem Anteil von 95 Prozent auch im Vorjahr dominierten. Die restlichen 5 Prozent haben sich für einen variablen Zinssatz entschieden und sind jetzt angesichts der kräftigen Zinswende verunsichert. Derzeit liegt der Kreditzinssatz bei über 4 Prozent, bei Bauspardarlehen gibt es eine gesetzliche Obergrenze von 6 Prozent. Aufgrund der hohen Zinsvolatilität finanzieren wir derzeit aber nur mit variablen Zinssätzen, ab Ende des zweiten Quartals wollen wir wieder ein Fixzinsdarlehen anbieten.

Das Einlagengeschäft litt in den letzten Jahren aufgrund der Null- und Negativzinsen. Nun hat die Zinswende die Karten neu gemischt …
Vallant: Seit 2015 gingen die Bauspareinlagen kontinuierlich zurück. Trotz der herausfordernden Bedingungen gelang es uns, im Vorjahr 200.000 Bausparverträge abzuschließen, ein Rückgang um rund 15.000 Verträge auf Jahresbasis. Für heuer zeichnet sich vor allem aufgrund der gestiegenen Zinsen nun eine 360-Grad-Wende ab. Das Bausparen steht vor einem Revival. Allein im Jänner schlossen wir schon über 30.000 neue Bausparverträge ab, im Gesamtjahr sollten es wieder deutlich über 200.000 werden. 

Wie ist die Nachfrage nach Einmalerlägen?
Vallant: Das Interesse ist wieder stark zurückgekehrt und so groß wie schon lange nicht, auch aufgrund der attraktiven Konditionen. Derzeit erhält man bei Abschluss unseres Relax Tarifes (ReT) 2,75 Prozent auf die Laufzeit von sechs Jahren. Das nutzen viele, um einen Teil des Vermögens sicher zu veranlagen. Der Einmalerlag für neu abgeschlossene ReT-Verträge mit Vertragsbeginn 2022 liegt bei 175 Millionen Euro. Beim klassischen Bausparen gibt es im Moment 3,25 Prozent im ersten Jahr und marktkonforme Verzinsung danach. 

Wäre es angesichts der hohen Inflation nicht ein Gebot der Stunde, die staatliche Förderung anzuheben?
Vallant: Eigenmittel und Ersparnisse werden immer wichtiger, das zeigt auch die KIM-Verordnung. Wir haben konkrete Vorschläge gemacht, wie etwa die Bausparprämie für Jungfamilien bis 30 Jahre mit Kindern zu verdoppeln. Notwendig wäre auch die geförderte jährliche Sparleistung von derzeit 1.200 auf zumindest 1.500 Euro anzuheben, um den Vorsorgegedanken zu fördern.