„Wir werden immer exakter“

RWA-Generaldirektor Reinhard Wolf zieht erste Bilanz über das zweite Pandemiejahr und erklärt, welche Auswirkungen die hohen Preise im gesamten Agrarbereich auf die Landwirtschaft und die Raiffeisen Ware Austria haben.

Reinhard Wolf im Interview
(c) RZ/Thomas Suchanek

Vor einem Jahr ist die RWA nach Korneuburg übersiedelt. Jede Übersiedelung fühlt sich ja irgendwie wie ein Neustart an. Wie war es für die RWA?
Reinhard Wolf: Während eines Lockdowns zu übersiedeln, das war natürlich ungewöhnlich. Leider konnten wir dadurch auch keine Eröffnungsfeier machen. Aber wir sind kräftig durchgestartet und fühlen uns sehr wohl hier, mit den vielen neuen Möglichkeiten des Zusammenarbeitens. Gleichzeitig haben wir die Übersiedlung dazu genutzt, uns neu zu positionieren, mit einem neuen Wertekanon und einem neuen Markenauftritt. Das Durchstarten war also erfolgreich.

Was sind die größten Auswirkungen von diesem Durchstarten?
Wolf: Wir sehen eine sehr hohe Loyalität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ein gesundes Selbstbewusstsein. Das neue Gebäude ermöglicht uns, die Unternehmenskultur besser zu entwickeln. 

Die Pandemie hat auch 2021 dominiert. Wie ist es der RWA im heurigen Jahr gegangen?
Wolf: Es geht uns gut. Mit den Zahlen für 2021 dürfen wir zufrieden sein. Das hat einen ganz klaren Grund: Wir sind mit der Pandemie sehr verantwortungsbewusst umgegangen, mit einer eigenen Teststraße und mit einer intensiven Auseinandersetzung zum Thema Impfen. Unsere Mitarbeiter sind sehr engagiert und diszipliniert, dadurch können wir eine sehr hohe Impfquote vorweisen. Die Pandemie hat uns aber auch gezeigt, was unser unternehmerischer Auftrag ist und den haben wir ordentlich erfüllt.  

Was ist der unternehmerische Auftrag?
Wolf: Der Auftrag liegt in unseren genossenschaftlichen Wurzeln. Wir sind dazu da, die Lagerhaus-Genossenschaften in der Versorgung der Landwirtschaft und der Bevölkerung zu unterstützen. Und das haben wir getan. Nicht eine einzige Minute mussten Landwirte irgendwie Sorge haben, dass die Versorgung mit Futter, mit Technik, mit landwirtschaftlichen Betriebsmitteln oder die Vermarktung ihrer Produkte nicht funktioniert. Auch bei der Versorgung der Bevölkerung: Wir haben zu jeder Stunde die österreichischen Mühlen und in weiterer Folge die Bäckereien mit Mehl und Mühlprodukten versorgt. Das ist nicht selbstverständlich, wenn man sich anschaut, wie viele derzeit über Lieferkettenprobleme klagen. Das war bei uns nie ein Thema, darauf sind wir stolz.

Was waren die Highlights? Welche Sparte hat sich heuer besonders gut entwickelt?
Wolf: Jede Sparte und jedes unserer Geschäftsfelder hat Freude gemacht, das eine vielleicht etwas mehr, das andere etwas weniger. Der Agrar­bereich war besonders herausfordernd. Die Ernte ist heuer etwas schlechter ausgefallen, dafür hatten wir eine neue Volatilität in den Agrarmärkten, die zu managen war. Auch im Bereich Haus und Garten haben wir eine sehr gute Entwicklung. Die hohe Nachfrage im Baustoffbereich merken wir natürlich auch. Im Bereich Energie hatten wir 2020 aufgrund der niedrigen Preise viele Vorziehkäufe, die uns heuer ein Stück weit fehlen. Aber wir merken auch hier, dass wir uns strategisch gut aufgestellt haben. Wir werden heuer bei Holzpellets deutlich über 250.000 Tonnen verkaufen. Das heißt, wir sind sehr erfolgreich unterwegs.

Wie wirken sich die steigenden Agrarpreise auf die RWA aus?
Wolf: Auf die RWA primär gar nicht, abgesehen davon, dass wir es mit volatileren Preisen zu tun haben. Ansonsten freuen wir uns natürlich darüber, dass die Landwirte im Getreidebereich höhere Preise erzielen können, wiewohl das wiederum für andere heißt, höhere Futtermittelkosten zu haben. Aber grundsätzlich ist es gut, wenn landwirtschaftliche Produkte einen höheren Preis und einen höheren Wert erzielen. Darüber freuen wir uns und das ist ganz klar unsere Aufgabe, selbst wenn der eine oder andere Verarbeitungsbetrieb darüber nicht erfreut ist. 

Bringen die hohen Preise Probleme in der Vermarktung?
Wolf: Wir können alle Produkte aus der Landwirtschaft hervorragend vermarkten – im Inland wie im Ausland. In den letzten Wochen gab es ja immer wieder Diskussionen, ob die Mühlen und die Bäckereien genügend Getreide haben, da muss man ganz klar sagen: Die Versorgung der österreichischen Bevölkerung ist zu jedem Zeitpunkt gesichert, dafür sorgen wir. Die Preise, die bezahlt werden müssen, sind etwas höher, aber wir können all unsere inländischen Kundschaften so wie in den vergangenen Jahren auch versorgen. Und wir können trotzdem unsere Exportgeschäfte tätigen. Das läuft an sich sehr zufriedenstellend.

An sich? 
Wolf: Auf der einen Seite haben wir steigende Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse, also Getreide, Ölsaaten. Auf der anderen Seite sind aber auch die Betriebsmittel deutlich gestiegen. Das ist die Kehrseite der Medaille. Vor allem Düngemittel haben, getrieben durch die Energiepreise und das Oligopol in der Düngemittelindustrie, deutlich angezogen. Für uns heißt es, sehr genau auf das Risikomanagement zu schauen. Den Landwirten empfehlen wir, nicht allzu lange zuzuwarten, weil nicht abzusehen ist, dass die Preise so schnell wieder nach unten gehen oder zumindest nicht dramatisch nach unten gehen. Es ist eine strukturelle Entwicklung der Preise und nicht nur ein kurzfristiges Nach-oben-Schnellen. Zudem ist die Situation in der Logistik angespannt. Wir sind dafür verantwortlich, dass die Landwirte ihren Dünger ab Februar auch tatsächlich vor Ort haben. Es wäre vernünftig, einen Basisvorrat anzulegen, um die ersten Wochen und Monate durchzukommen.

Reinhard Wolf im Interview
(c) RZ/Thomas Suchanek

Ist durch die hohen Düngemittelpreise der Beratungsbedarf in den Lagerhaus-Genossenschaften gestiegen?
Wolf: Natürlich ist es so, dass die Landwirte bei den hohen Preisen sensibler werden und stärker überlegen, was brauche ich und was brauche ich nicht. Ihnen dabei zur Seite zu stehen – nicht nur mit Produkten, sondern auch mit Wissen und Beratung –, ist seit Jahrzehnten unser Kerngeschäft. Wir bieten zum Beispiel flächendeckend an, Bodenproben zu entnehmen, diese zu analysieren und dann entsprechende Beratungshinweise zu geben. Das ist digitalisiert und online über Onfarming zu buchen. Das ist heute State of the Art. Auch Smart Farming oder Precision Farming, wo man über Satellitennavigation die Maschinen steuern und die Felder wesentlich genauer bewirtschaften kann, wird ein immer wichtigeres Thema. Wir werden immer exakter, das ist gut und bringt Ersparnisse. Die moderne Technologie wird umso interessanter, je höher die Preise für Betriebsmittel werden.

Wie wirken sich die Preisentwicklungen auf die Saatgutnachfrage aus?
Wolf: Wir haben in den letzten Jahren gemerkt, dass der Sojaanbau in Österreich deutlich zugenommen hat. Das ist gut so, denn wir wollten in Österreich eine stärkere Eiweißversorgung haben und in diesem Bereich weniger importieren. Die Preise sind momentan sehr interessant – sowohl im Biobereich als auch im konventionellen Bereich. Und auch der Kürbisanbau hat deutlich zugenommen. Aber die Gesamtfläche wird nicht mehr, somit ist es immer nur eine Verschiebung und die generelle Nachfrage nach Saatgut steigt nicht.  

Wie ist es den Lagerhaus-Genossenschaften im heurigen Jahr ergangen?
Wolf: Die Lagerhaus-Genossenschaften mit ihren rund 12.000 Mitarbeitern und rund 1.500 Funktionären haben seit der Pandemie Großartigstes geleistet. Wir konnten ohne eine einzige Panne die Landwirtschaft versorgen und im Gegenzug alle ihre Produkte abnehmen, das ist schon eine großartige Leistung. Die Lagerhaus-Genossenschaften haben ihre vorgesehenen Projekte – Bauprojekte, Digitalisierungsprojekte – ungehindert weitergeführt und das ist belohnt worden. Bereits 2020 haben wir ein sehr gutes betriebswirtschaftliches Ergebnis eingefahren und so wie es ausschaut, wird auch 2021 ein gutes Jahr werden. 

Mit welchen Erwartungen gehen Sie denn in das neue Jahr?
Wolf: Ich bin ein positiv denkender Mensch und daher gehe ich mit positiven Erwartungen in das nächste Jahr. Wohlwissend, dass die Pandemie nicht vorbei sein wird. Wir dürfen uns nicht erwarten, dass wir nächstes Jahr in einen Vorkrisenmodus kommen. Allerdings haben wir sehr viel gelernt und können deutlich besser damit umgehen. Wir werden weiterhin unseren Beitrag leisten, was das Thema Vorsorge betrifft. Die Grundfunktionen der Genossenschaften bleiben unverändert. Man wird uns auch nächstes Jahr brauchen. Wir werden alles daransetzen, die Wünsche, die an uns herangetragen werden, in unseren Geschäftsfeldern bestmöglich zu erfüllen. Und damit bin ich optimistisch für das nächste Jahr.