„Kroatien wird für Investoren interessanter“

RBI-Bereichsleiterin Sabine Zucker ist die erste Aufsichtsratspräsidentin in der RBI-Gruppe und beaufsichtigt in dieser Funktion seit Jänner die Raiffeisen Bank in Kroatien. Gemeinsam mit CEO Liana Keserić gibt sie Einblicke in ihre Arbeit, die Ausrichtung der Bank und ihre Ziele für 2023.

Liana Keserić, Liana Keserić, Vorstandsvorsitzende der Raiffeisenbank Austria in Kroatien seit Februar 2020, und Sabine Zucker Bereichsleiterin in der RBI, verantwortlich für die Produkte Trade Finance, Export & Investment Finance sowie Cash Management und Zahlungsverkehr, und seit kurzem Aufsichtsratsvorsitzende der Raiffeisenbank Austria
Liana Keserić, Vorstandsvorsitzende der Raiffeisenbank Austria in Kroatien seit Februar 2020, und Sabine Zucker Bereichsleiterin in der RBI, verantwortlich für die Produkte Trade Finance, Export & Investment Finance sowie Cash Management und Zahlungsverkehr, und seit kurzem Aufsichtsratsvorsitzende der Raiffeisenbank Austria © RBI/Alexander Sommer

Frau Zucker, Sie sind seit Jänner Aufsichtsratsvorsitzende bei der kroatischen RBI-Tochter. Damit sind Sie als erste Frau in einer solchen Funktion im RBI-Konzern. Was war Ihre Motivation, diese Funktion zu übernehmen? Wie wollen Sie Ihr Mandat anlegen?
Sabine Zucker: Ich bin bereits seit 2017 Mitglied des Aufsichtsrates der Raiffeisenbank und kenne daher die Bank sehr gut. Den Vorsitz des Aufsichtsrates zu übernehmen war der nächste für mich erfreuliche Schritt. Man hat in dieser Funktion die Möglichkeit, einen tiefen Einblick in das Unternehmen zu bekommen und nahe am Geschäft zu sein, ohne eine Management-Funktion zu haben. Es ist sozusagen der Blick von außen nach innen, und ich denke, dass ich mit meiner Erfahrung einen positiven Beitrag leisten kann. Ich bin tatsächlich die erste Frau im RBI-Konzern in dieser Position, ich denke allerdings, dass sich diesbezüglich einiges bewegt bei uns. So war ich 2014 die erste Bereichsleiterin eines operativen Geschäftsbereichs in der RBI, heute gibt es einige. Auch in den Aufsichtsräten des Konzerns gibt es mehr und mehr Frauen.

Frau Keserić, 2022 war weltweit sehr schwierig. Wie ist die Raiffeisenbank Austria in Kroatien durch dieses Jahr gekommen?
Liana Keserić: Kurz gesagt: sehr gut. Im vergangenen Jahr erzielte die Bank einen Gewinn nach Steuern in Höhe von 39 Millionen Euro und das trotz des ausgeprägten Inflationsdrucks und der widrigen geopolitischen Rahmenbedingungen. Das solide Wirtschaftswachstum Kroatiens führte zu einer Zunahme des Zahlungsverkehrs, des Kartengeschäfts und anderer Finanzdienstleistungen, wodurch unsere Betriebserträge im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent stiegen.

Sie sind also mit den Ergebnissen zufrieden?
Zucker: Die Raiffeisenbank hat 2022 viel geleistet. Eine Bank in allen Bereichen und Systemen Euro-fit zu machen und pünktlich per 1. Jänner startklar zu sein, ist eine technische und organisatorische Herausforderung. Der Vorstand war zu Silvester in der Bank und ich war mit den Kollegen in Kontakt, um zu erfahren, ob die Umstellung reibungslos verläuft. Die Bank hat das bravourös gemeistert. Darüber hinaus ist geschäftlich viel geschehen, sowohl betreffend das Neugeschäft als auch die Erträge. Die Bank hat 2022 den höchsten Bruttoertrag seit vielen Jahren erwirtschaftet.
Keserić: Angesichts der vielen negativen wirtschaftlichen und politischen Faktoren und der einmaligen Kosten im Zusammenhang mit der Einführung des Euro bin ich mit den Ergebnissen zufrieden. Unsere größte Bewährungsprobe war die Einführung des Euro zu Beginn dieses Jahres, die wir, wie Sabine das gerade bestätigt hat, aufgrund der perfekten Vorbereitung reibungslos geschafft haben.

Frau Keserić, die Raiffeisenbank Austria ist die Nummer fünf in Kroatien. Wo sehen Sie Wachstumspotenzial?
Keserić: Unser strategisches Ziel ist es, bei der Zufriedenheit der Firmenkunden Marktführer zu sein und bei den Privatkunden zu den drei besten Banken zu gehören. Die Einführung des Euro verschärft den Wettbewerb beim Angebot von Finanzdienstleistungen. In den kommenden Jahren wird daher unter anderem auf die laufende digitale Transformation, die Optimierung der Geschäftsprozesse und die Fokussierung auf ein erstklassiges Kundenerlebnis vorantreiben, und das alles unter dem ESG-Aspekt.

Frau Zucker, wo sehen Sie die Schwerpunkte der Bank für 2023?
Zucker: Eine der Herausforderungen für das laufende Jahr liegt in der Kompensation der Ertragsverluste durch die Euro-Einführung, konkret durch den Wegfall von Ertrag aus dem Wechselgeschäft. Im Retail-Banking werden wir durch die weitere Digitalisierung neue Ertragsfelder erschließen, insbesondere bei jungen Kunden. Bei Firmenkunden ist das Ziel, die Produktpalette zu verbreitern. Weiters ist die Raiffeisenbank ein Vorreiter in Sachen ESG, wie es Liana gerade erwähnt hat. Die Bank hat viele Initiativen gesetzt, z.B. Kreditkarten aus recyceltem Material, die Ausgabe einer nachhaltigen Anleihe oder die Förderung ESG-konformer Finanzierungen für Investitionen in Solarpaneele und dergleichen.

Frau Keserić, Kroatien hat mit Jahresbeginn den Euro eingeführt. Welche Vor- und Nachteile bringt das für die Raiffeisenbank mit sich, abgesehen vom erwähnten Ertragsausfall?
Keserić: Alle Banken hatten einmalige Kosten durch die Euro-Einführung, da die IT-Systeme Euro-fit gemacht werden mussten. Gleichzeitig verringert der Euro die zinsunabhängigen Erträge durch den Verlust der Erträge bei Devisengeschäften zwischen Euro und Kuna. Durch die Mitgliedschaft im Euroraum sinken andererseits die Regulierungskosten. Die Banken werden von einem positiven „Spillover-Effekt“ profitieren, da die Euro-Mitgliedschaft die Wirtschaft des Landes und seine Wettbewerbsfähigkeit stärken wird.

Weiters ist das Land dem Schengenraum beigetreten. Erwarten Sie daraus wirtschaftliche Auswirkungen, z.B. im Tourismus?
Keserić: Ja, eindeutig. Mit dem Euro- und Schengen-Beitritt ist Kroatien stärker und widerstandsfähiger geworden. Die EU-Mitgliedstaaten, und da insbesondere jene der Eurozone, sind unsere wichtigsten Märkte, wir erwarten daher positive Auswirkungen auf Handel und Tourismus. Kroatien wird für Investoren interessanter werden. Die Zugehörigkeit zum Euro- und Schengen-Raum könnte die sich abzeichnenden negativen Risiken auf den Außenmärkten abmildern.

Was erachten Sie als besonders wichtig in der Zusammenarbeit zwischen Vorstandsvorsitzender und Aufsichtsratspräsidentin?
Zucker: Der Aufsichtsrat ist das Kontrollorgan des Vorstands. Man kann die Rolle des – oder der – Vorsitzenden unterschiedlich gestalten. Ich möchte neben der gesetzlichen Kontrollfunktion ein Sparring Partner für Liana Keserić sein, sie in ihren Aufgaben unterstützen und somit einen Beitrag zur Entwicklung der Bank leisten. Wichtig dafür ist gegenseitiges Vertrauen und Offenheit. 
Keserić: Die Rolle des Aufsichtsrates besteht darin, zu überwachen, zu fordern und in eine einheitliche Richtung zu lenken. Um eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu erreichen, sollten wir uns meiner Meinung nach auf drei Grundsätze stützen: Transparenz, Integrität und Vertrauen. Sie sehen, da sind Sabine und ich klar einer Meinung.

Frau Zucker, als Aufsichtsratsvorsitzende müssen sie auch Kontakte zu Kunden und Entscheidungsträgern knüpfen. Wie vernetzt sind Sie in Kroatien? 
Zucker: Ich hatte schon bisher als Mitglied des Aufsichtsrates Firmenkunden getroffen und kennengelernt, das möchte ich intensivieren. Bei meinem nächsten Aufenthalt werde ich die lokalen Aufsichtsbehörden besuchen, um mich vorzustellen. Normalerweise ist jährlich ein Besuch bei der Nationalbank geplant. Weiters werde ich einige Tage in Zagreb verbringen, um die Bank noch besser kennenzulernen. Darüber hinaus habe ich auch in meiner Funktion als Bereichsleiterin in der RBI immer wieder mit der Raiffeisenbank zu tun. Ich denke also, dass ich einen guten Einblick in die Bank und deren Stakeholder habe.

Was verbindet Sie mit Kroatien?
Zucker: Kroatien ist ein unglaublich vielfältiges Land mit traumhaften Inseln und beeindruckenden Küstenstädten. Abseits der Küsten gibt es schöne Naturereignisse und eine ausgezeichnete Küche. Ich freue mich daher immer, wenn ich nach Kroatien komme, egal ob beruflich oder privat.