Grund zum Heulen

Eine neue Landkarte zeigt den Lebensraum und das Konfliktpotenzial des Wolfes und liefert somit eine wissenschaftliche Basis für einen konstruktiven Diskurs.

Seit Beginn der 2000er-Jahre breitet sich der Wolf in Europa stetig aus. Die Wolfspopulation hat sich auf rund 21.500 Individuen erhöht, mit jährlichen Zuwachsraten von bis zu 30 Prozent in manchen Regionen. Auch in Österreich gibt es derzeit acht bestätigte Rudel und etwas über 100 Wölfe. 

Die Rückkehr des Wolfes polarisiert. Während die einen den Schutzstatus des Raubtiers einfordern, sehen vor allem Nutztierhalter eine immer öfter herannahende Gefahr. Durch Risse in ländlichen Siedlungsgebieten wird der Wolf auch zunehmend als potenzielles Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung wahrgenommen. Besonders im Westen Österreichs zeigt sich: Dort, wo die Almwirtschaft stark ausgeprägt ist, nehmen die Konflikte zwischen Wolf und Bevölkerung zu. Im Jahr 2024 wurden 340 Weidetiere von Wölfen gerissen, heuer waren es bis August 224 Tiere – davon 216 Schafe. Zusätzlich wurden 56 Tiere verletzt. „Angesichts zunehmender Konflikte mit dem Menschen gilt es nun, die Balance in der Natur- und Kulturlandschaft aufrechtzuerhalten“, betont Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig. 

Österreich hat in den vergangenen Jahren auf diese Entwicklungen reagiert und Anpassungen der Gesetzeslagen auf internationaler und EU-Ebene erwirkt. Der Schutzstatus für den Wolf wurde abgesenkt.

Aktives Monitoring

„Die Diskussionen zum Thema Wolf werden oft polemisch und emotional geführt. Wir hoffen, dass die Studie zum konstruktiven Diskurs beiträgt“, erklärt Forscherin Jennifer Hatlauf von der Universität für Bodenkultur. Als Basis für ein aktives Wolfmonitoring wurden nun erstmals einige erste Teilaspekte erhoben.  

Bei der Studie wurde zunächst mittels statistischer Methoden eine Karte für den aus ökologischer Sicht potenziellen Lebensraum von Wölfen in Österreich errechnet. Es zeigt sich, dass etwa Wald und dünner besiedelte Gebiete für Wölfe grundsätzlich attraktiv sind.

Eine zweite Karte zeigt, wo höheres Konfliktpotenzial mit dem Menschen auftreten kann, beispielsweise durch die Anfälligkeit für Nutztierrisse in Almregionen. Die Verbindung dieser beiden Karten ergibt das „Kombinationsmodell“, das ein wichtiger Baustein für künftiges Wolfsmanagement sein kann.

Konkret zeigen die Ergebnisse: Österreich verfügt durch seine Landschaftsstrukturen über weitläufige, potenzielle Lebensräume für den Wolf. Gleichzeitig bestehen in diesen Gebieten jedoch auch hohe Konfliktpotenziale, meist aufgrund der Nutztierhaltung, der Almwirtschaft bis hin zum Tourismus und Freizeitwirtschaft.

Weiterer Forschungsbedarf

„Die Studie ist eine erste wissenschaftliche Grundlage, die uns Daten zum Lebensraum und Konfliktpotenzial des Wolfs in Österreich liefert. Sie ist eine wertvolle Datenbasis für weitere Monitoring- und Managementmaßnahmen. Die Studie zeigt auch, dass es weiteren Forschungsbedarf gibt“, kommentiert Totschnig. Dabei müsse auch die aktuelle EU-Judikatur zum Thema Wolf berücksichtigt werden, wonach der günstige Erhaltungszustand einer Art nicht allein anhand der nationalen Gesamtpopulation zu bewerten ist. „Vielmehr muss auch der Erhaltungszustand auf der Ebene der EU-Mitgliedstaaten betrachtet werden“, so Totschnig, der eine enge Zusammenarbeit mit den Nachbarländern und eine stärkere internationale Abstimmung und europaweite Betrachtung für notwendig hält.

Auch Tirols Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler betont: „Der Wolf kennt keine Landesgrenzen – darum braucht es beim Management auch eine gemeinsame, überregionale Herangehensweise. Das Konfliktpotenzial im dicht besiedelten Raum ist langfristig zu groß. Es gibt in Europa jedoch durchaus Regionen, in denen sich Wölfe ausbreiten können.“ Im Grunde brauche es daher eine europaweite wildökologische Raumplanung, die auch den Lebensraum des Wolfes berücksichtigt.

AusgabeRZ45-2025

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