„Zinserhöhungen geben uns Rückenwind“

Nach einem Gewinnsprung 2021 rechnet CEO Johann Strobl auch heuer mit einer sehr guten Geschäftsentwicklung der Raiffeisen Bank International (RBI), sofern der Russland-Ukraine-Konflikt nicht eskaliert. Der Fokus liegt auf organischem Wachstum, Kostendisziplin und Klimatransformation.

RBI-CEO Johann Strobl im Interview
Johann Strobl (c) RBI/Martin Hörmandinger

Gratulation zum guten Ergebnis 2021 mit fast 1,4 Mrd. Euro Gewinn. Woher kommt dieser Gewinn?
Johann Strobl: Zum einen aus einem exzellenten Risikoergebnis. Im Vergleich zum Vorjahr sind unsere Risikokosten um 51 Prozent gesunken. Gleichzeitig haben wir unsere Kernerträge deutlich steigern können. Das Zinsergebnis legte um 7 Prozent zu, während der Provisionsüberschuss um 18 Prozent stieg. Unser Gewinn ist also das Resultat aus mehreren sehr positiven Entwicklungen und steht auf einem breiten Fundament.

Wie groß ist der Österreich-Beitrag?
Strobl: Wir weisen kein eigenes Österreich-Segment aus. Somit kann ich hier keinen Betrag nennen, der das Österreich-Geschäft präzise abdeckt. Was ich aber sagen kann, ist, dass die Wiener Geschäftsbereiche einen hervorragenden Beitrag zum guten Gesamtergebnis beigesteuert haben. Sowohl unser Firmenkundengeschäft als auch unser Markets- und Investmentbanking-Business können auf ein sehr gutes Jahr zurückblicken.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnisbeitrag der Produkttöchter in Österreich? 
Strobl: Unsere österreichischen Tochtergesellschaften zeigten eine ausgezeichnete Geschäftsentwicklung mit Ergebnissen, die sowohl deutlich über dem Niveau von 2020 als auch den Erwartungen für 2021 lagen. Besonders hervorzuheben ist die Steigerung des Provisionsüberschusses durch das Wachstum des betreuten Kundenvermögens. Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie wurden gut bewältigt.

Was halten Sie von der geplanten Einführung einer Haltefrist bei der KESt?
Strobl: Ich würde es sehr begrüßen, wenn langfristige Investoren steuerlich begünstigt würden. Langfristig agierende Investoren stärken die Unternehmen und erleichtern den Umstieg auf eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft ebenso wie Investitionen in Digitalisierung und Innovation. Noch wichtiger scheint mir allerdings, dass dadurch viele Menschen ein starkes Signal erhalten, sich frühzeitig und langfristig Gedanken zur eigenen Altersvorsorge zu machen. Es kommt auf ein gutes Verhältnis von liquiden Mitteln auf dem Sparbuch und langfristigen Investitionen an.

Keine Konkurswelle erwartet

Der Kreditzuwachs lag 2021 bei 15 Prozent. Woher kommt die große Nachfrage?
Strobl: Nachdem die Covid-Pandemie aufgrund der Impfstoffe ihren Schrecken verloren hat, ist bei unseren Kunden die Zuversicht zurückkehrt. Investitionen und Konsumentscheidungen, die während der Pandemie zurückgestellt wurden, werden nun nachgeholt. Wir sehen in fast allen unseren Märkten und Kundengruppen eine deutliche Zunahme der Kreditnachfrage.

Wie wirkt sich diese Steigerung auf das Kreditrisiko aus?
Strobl: Die Qualität unseres Kreditportfolios – das wurde während der Pandemie ja auch unter Beweis gestellt – ist sehr gut. Und diese Qualität wollen wir auch beibehalten.

Die Insolvenzen nehmen zu. Erwarten Sie heuer eine Konkurswelle – jetzt wo die Covid-Hilfen auslaufen?
Strobl: Ich glaube nicht, dass wir eine flächendeckende Konkurswelle sehen. Es gibt aber sicherlich Branchen, die besonders hart betroffen waren, sich immer noch nicht erholt haben und nun vor sehr großen Herausforderungen stehen. Beispielsweise Branchen, die stark vom Städtetourismus abhängig sind.

Der Zinsüberschuss ist um 7 Prozent gestiegen. Welche Bedeutung haben die Zinserhöhungen und erwarten Sie noch weitere Zinsschritte in Ihren Kernmärkten? 
Strobl: Die Zinserhöhungen – wir haben ja im vergangenen Jahr schon einige in unseren Nicht-Euro-Märkten gesehen – geben uns Rückenwind. Unsere Research-Experten erwarten heuer noch weitere spürbare Zinsschritte. Insbesondere in Zentral- und in Südeuropa. Auch die EZB kann angesichts der hohen Inflation in der Eurozone nicht tatenlos bleiben.

Die Inflation treibt auch die Kosten der RBI an. Bei den Betriebsaufwendungen erwarten Sie für 2022 hohe einstellige Zuwachsraten. Wie wollen Sie hier gegensteuern?
Strobl: Mit Kostendisziplin. Wir müssen Investitionen tätigen, um mittel- und langfristig konkurrenzfähig zu bleiben. Etwa im Bereich der Digitalisierung. Umso wichtiger ist es, dass wir unnötige Kosten vermeiden. Hier ist vor allem das Head Office in der Pflicht. 

100 Mio. Euro sind für die Integration der jüngsten Akquisitionen in Serbien und Tschechien vorgesehen. Wann wird man davon die Früchte ernten können?
Strobl: Wir werden schon in diesem Jahr die ersten Früchte ernten, da diese beiden Banken ja schon zum Ergebnis beitragen werden beziehungsweise auch schon im letzten Jahr beigetragen haben. Die volle Ernte werden wir einfahren, wenn wir die Integration abgeschlossen haben. Also ab dem kommenden Jahr. Ein erheblicher Teil der 100 Millionen Euro sind Integrationskosten, die ja einmalig als Folge der technischen Integration anfallen, jedoch nicht mehr in den kommenden Jahren. 

„Unsere Banken in Russland und der Ukraine haben viel Erfahrung im Umgang in Krisen.“ 

Johann Strobl

Wie sehr macht Ihnen der Russland-Ukraine-Konflikt Sorgen? 
Strobl: Wir beobachten die Situation sehr genau und hoffen, dass sich die verschiedenen politischen Akteure ihrer Verantwortung bewusst sind. Wir bereiten uns auf verschiedene Szenarien vor. Unsere Banken in Russland und der Ukraine befinden sich in einer guten Verfassung und haben viel Erfahrung im Umgang in Krisen. Sie verfügen über eine gute Eigenkapitalausstattung und finanzieren sich selbst.

Für mögliche Sanktionsrisiken haben Sie mit 115 Mio. Euro vorgesorgt. Wie würde sich ein militärischer Konflikt auf die RBI auswirken?
Strobl: Das würde sehr stark vom Umfang des militärischen Konflikts abhängen. Darüber möchte ich nicht spekulieren. Unsere Aufgabe ist es, uns auf verschiedene Szenarien vorzubereiten und das tun wir selbstverständlich. 

Hätte eine Eskalation auch Auswirkungen auf die Raiffeisengruppe? Können Sie die Sorgen der Raiffeisenbanken entkräften, wo es doch jetzt eine gemeinsame Raiffeisen-Einlagensicherung gibt?
Strobl: Die Ergebnisse und Kennzahlen des letzten Jahres zeigen, dass die RBI sehr profitabel ist, über eine gute Kapitalausstattung verfügt und dass dies auf alle Netzwerkbanken zutrifft. Die ausgewiesene Ertragskraft und die gute Kapitalausstattung sind ein guter Puffer für schwierige Zeiten. Erwähnen möchte ich aber auch, dass die RBI-Gruppe gut diversifiziert ist. 

Der russische CEO hat noch vor kurzem in Interviews Zukäufe nicht ausgeschlossen. Tritt man jetzt in Russland auf die Bremse?
Strobl: Wir beobachten die aktuellen Entwicklungen sehr genau und passen dementsprechend auch unsere Kreditvergabe an. In der aktuellen Situation haben wir den Fuß sicher nicht auf dem Gaspedal. 

Durch den Verkauf der Tochter in Bulgarien steht der RBI eine Milliarde Euro, wie Sie sagten, „für zusätzliches Wachstum“ zur Verfügung. Wissen Sie schon Genaueres? Wohin sollen die Erlöse fließen? Wo will man wachsen? 
Strobl: Unser Fokus liegt auf organischem Wachstum. Wir sehen insbesondere in Tschechien, der Slowakei und Ungarn gute Wachstumsperspektiven. Rumänien und Serbien sind auch sehr interessant. 

Der RBI ist es im Vorjahr auch gelungen, sich als Arrangeur von Green Bonds gut zu positionieren oder eigentlich zu etablieren. Wie kann die RBI ihre Kunden da begleiten? Wie groß ist das Interesse?
Strobl: Das Interesse der Kunden ist sehr hoch. Wir haben uns intensiv mit diesem Thema beschäftigt, weil wir ja selbst recht früh begonnen haben, eigene Green Bonds zu emittieren. Das Know-how, das wir dabei aufgebaut haben, stellen wir nun unseren Kunden zur Verfügung und rollen es in unserem Netzwerk aus. Wir waren vor 30 Jahren Pionier, als es darum ging, die Planwirtschaften in CEE bei ihrer Transformation zu Marktwirtschaften zu unterstützen. Diese Vorreiterrolle wollen wir nun wieder übernehmen, wenn es darum geht die Transformation hin zu nachhaltigeren Volkswirtschaften zu unterstützen.

Auch selbst hat die RBI bereits Grüne Anleihen im Wert von 1,5 Mrd. Euro emittiert. Gibt es ein Zielvolumen für 2022?
Strobl: Ein Zielvolumen für 2022 möchte ich nicht nennen. Wir werden aber ganz sicher weiterhin regelmäßig mit eigenen Emissionen am Markt aktiv sein. Die Wiener Börse hat uns gerade zu unserer 11. Green-Bonds-Emission gratuliert. Damit sind wir die aktivste Emittentin in diesem Marktsegment an der Wiener Börse. 

„Atomkraft wird von uns auch weiterhin nicht finanziert werden.“

Johann Strobl
RBI-CEO Johann Strobl im Interview
Johann Strobl (c) RBI/Martin Hörmandinger

Die RBI tritt in der Taxonomie-Diskussion ganz klar gegen Atomkraft auf. Die EU-Kommission hat jetzt Atomkraft und Erdgas als „grün“ eingestuft. Welche Auswirkungen hat das auf die Kreditvergabe der RBI?
Strobl: Atomkraft wird von uns auch weiterhin nicht finanziert werden. Das Thema Erdgas muss man differenziert sehen. Wir brauchen diesen Energieträger für eine gewisse Übergangszeit, um die Energieversorgung sicherzustellen. Allerdings werden wir sehr genau hinsehen, bevor wir hier neue Projekte finanzieren und sehr selektiv vorgehen.

Wie sieht es mit Finanzierungen in der Öl- und Gasindustrie aus?
Strobl: Wir haben im vergangenen Jahr eine neue Kohlepolitik verabschiedet. In diesem Jahr werden wir auch eine neue Politik für Öl und Gas verabschieden. Da wir uns vorgenommen haben, in unseren Märkten eine Vorreiterrolle in Sachen ESG einzunehmen, werden wir unsere Richtlinien sicher deutlich verschärfen.

Die EZB hat den ersten Klimastresstest für Banken gestartet. Wie gestresst ist die RBI im Hinblick auf Klimarisiken und auf die Prüfung?
Strobl: Grundsätzlich bedeutet jeder Stresstest Stress für uns – nämlich für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit einer enormen zusätzlichen Arbeitsbelastung konfrontiert sind. Da der Stresstest dieses Jahr zum ersten Mal stattfindet und erst vor kurzem gestartet wurde, kann ich noch nicht viel sagen. Ich hoffe, dass der Erkenntnisgewinn höher ist als bei den bisherigen Stresstests.

Kommen wir zum Ausblick: Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie im Jahr 2022? 
Strobl: Ich rechne mit einer sehr guten Geschäftsentwicklung, unter der Annahme, dass es zu keiner militärischen Eskalation an der russisch-ukrainischen Grenze kommt. Wir werden in diesem Jahr die Pandemie hoffentlich hinter uns lassen und uns wieder vollkommen auf unser Geschäft konzentrieren können.

Sie halten an den mittelfristigen Zielen – 11 Prozent Return-on-Equity, 13 Prozent Kernkapitalquote und 55 Prozent Cost/Income-Ratio – weiterhin fest. Haben diese sich schon zu langfristigen Zielen entwickelt? 
Strobl: Nein, diese Ziele haben wir uns mittelfristig gesetzt. Wir analysieren regelmäßig, ob diese Ziele realistisch beziehungsweise ambitioniert genug sind und passen sie dann gegebenenfalls an.

Der Dividendenvorschlag liegt bei 1,15 Euro je Aktie, das ist eine Ausschüttungsquote von 28 Prozent. Die Ausschüttungsquote ist in einer Bandbreite bis 50 Prozent festgelegt. Warum ist man so zurückhaltend? Macht der Sektor zu wenig Druck?
Strobl: Unsere Aktionäre erwarten zu Recht eine angemessene Rendite auf das Kapital, das sie uns zur Verfügung gestellt haben. Gleichzeitig möchten sie auch, dass die RBI sich weiterentwickelt und weiterwächst, damit sie auch in Zukunft eine gute Investition ist. Dafür benötigen wir eine gute Eigenkapitalausstattung. Unser Dividendenvorschlag trägt diesen beiden Wünschen Rechnung. Wir haben das Privileg, dass wir Kernaktionäre haben, die erstens unser Geschäft sehr gut verstehen und zweitens gewohnt sind, langfristig zu denken und zu handeln.