Stams: Skistars von morgen

In seinem neuen Dokumentarfilm begleitet Bernhard Braunstein den Ausbildungsalltag der Nachwuchstalente der österreichischen Skiwelt – unverfälscht und mit allen Höhen und Tiefen.

Stams ist Österreichs erfolgreichstes Elite-Internat für Wintersport. Wer sich dort für eine Ausbildung entscheidet, will zu den Besten gehören. Über den Zeitraum eines ganzen Jahres blickte Regisseur Bernhard Braunstein hinter die Kulissen der Wintersport-Kaderschmiede. Ohne Verharmlosung und ohne jeglichen Einfluss der Schulleitung zeigt er in seinem Film „Stams“ den Alltag der Schüler, der von hartem Training, Unterricht und spärlicher Freizeit geprägt ist. 

Das Skigymnasium Stams wurde als erstes seiner Art im Jahre 1967 im Tiroler Oberland gegründet und zählt weltweit zu den ältesten Internatsschulen für den Wintersport. Um zugelassen zu werden, muss sowohl eine sportliche als auch eine schulische Aufnahmeprüfung absolviert werden. Danach können die Schüler in fünf verschiedenen Sparten ausgebildet werden: Ski Alpin, Sprunglauf, Langlauf/Biathlon, Nordische Kombination und Snowboard. In einem dualen Ausbildungskonzept kombiniert das Gymnasium schulische Leistungen mit sportlichen Entwicklungen in einem – aufgrund der zeitintensiven Ausbildung erhöhten – Zeitraum von fünf Jahren. Der Erfolg des Internats spiegelt sich vor allem auch im alpinen Damen- und Herrenkader des Österreichischen Skiverbands wieder, denn dieser besteht zu rund einem Drittel aus Absolventen des Skigymnasiums Stams. Darunter befinden sich unter anderem Legenden des heimischen Skisports wie Toni Innauer, Benjamin Raich, Marlies Schild, Stephan Eberharter, Gregor Schlierenzauer und Anita Wachter.

Helden der Nation

Auch Bernhard Braunstein war als Kind leidenschaftlicher Skifahrer und verfolgte Skirennen im Fernsehen mit großer Euphorie. Und so geht es nach wie vor vielen Kindern in Österreich. „Wir feuerten sie an, unsere großen Helden, und wir litten und feierten mit ihnen. Bei wichtigen Skirennen versammelte sich die gesamte Nation vor den Fernsehgeräten. So wurden ganze Generationen geprägt. Später wurde mir bewusst, welche Bedeutung der Skisport für die österreichische Gesellschaft hat. Aus den Trümmern der Weltkriege baute man mit den erfolgreichen Skihelden das zerstörte Selbstbewusstsein wieder auf. Der Skisport bekam eine fast religiöse Bedeutung und wurde identitätsstiftend“, so der Regisseur zu den Motivationen hinter dem Film. 

Was er keinesfalls machen wollte, war jedoch ein klassischer Sportfilm mit dem bekannten Helden-Narrativ. Stattdessen wollte er mit einem empathischen Blick den Alltag der heranwachsenden Jugendlichen beschreiben. So wird anstelle der bekannten Bilder aus dem Fernsehen ein subjektiver Blick aus der Sicht der jungen Sportler geboten und ihnen damit eine Stimme gegeben. „Es gibt Trainer und Lehrer, die ihnen die Welt erklären und ihnen sagen, was sie tun sollen. Wer aber fragt die jungen Leute: ‚Was brauchst du wirklich?‘ Von ihnen wird in erster Linie gefordert“, so Braunstein und betont, dass „Stams“ den Schülern eine Möglichkeit geboten hat, über Themen zu sprechen, die sie wirklich beschäftigen. 

Große Disziplin 

Neben Schulstunden, Trainingsroutinen und Wettkämpfen gehören in Stams auch Verletzungen zum Alltagsbild. „Ich fand es schockierend, mit welcher Selbstverständlichkeit die extrem hohen Verletzungsraten akzeptiert werden“, gesteht Braunstein. Eine Schülerin des Skigymnasiums spricht im Film über die Schwierigkeit, die eigene Gesundheit zu priorisieren: „Es ist immer schwer, abzuwägen. Ist es wichtiger, dass ich den Schwung besser fahre oder dass ich gesund bleibe?“, so Lisa-Marie Fuchs. 

Trost finden sie dann vor allem bei ihren Mitschülern. Dass das Klischee der Sportler als egoistische Einzelkämpfer so also doch nicht ganz stimmt, zeigt sich im Film in der Kollegialität und in der Freundschaft, die zwischen den Schülern entsteht – viele sehen sich nicht als Konkurrenten, sondern viel eher als Verbündete in einer Schicksalsgemeinschaft. 

Teilen sie doch auch vor allem die Lust am Skisport und die als Kind erlebten Glücksmomente durch das Skifahren mit der Familie. Wenn die Leidenschaft jedoch zur anstrengenden Routine wird und immer weniger Zeit für Freizeit, Freunde und Familie bleibt, kann das zur Ernüchterung führen. „Es wird ein Gefühl vermittelt, dass jede Minute zählt und genutzt werden muss. Das ist problematisch, weil sie ohnehin ihr ganzes Leben auf den Skisport hin ausgerichtet und dafür auch unheimlich große Opfer gebracht haben. Dieses Opfer zu bringen hat etwas sehr Mutiges, wenn sich die Träume allerdings nicht erfüllen, dann kann es einen jungen Menschen in seinen Grundfesten erschüttern“, so der Regisseur über die mentalen Herausforderungen, denen sich die Schüler täglich stellen müssen.

Mit „Stams“ hat Bernhard Braunstein einen Dokumentarfilm geschaffen, der vor allem durch seine Ehrlichkeit überzeugt und die Wahrnehmung der Weltcup-Rennen im Fernsehen wohl ein Stück weit verändern wird. Der Film feierte bei der heurigen Berlinale
Premiere und ist hierzulande ab 2. März in den Kinos zu sehen.

AusgabeRZ9-2023

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