Auf den Spuren von Robin Hood

Beim Zielen auf Scheiben oder Tier-Attrappen kann man sich sportlich messen und dabei ganz bei sich sein. Die Ruhe und die totale Konzentration lösen bei vielen die Faszination für den Bogensport aus.

Jemand zieht Pfeile aus einer Zielscheibe. Symbolfoto für Bogenschießen.
(c) Adobe Stock/Edojob

Oft ist der Anstoß ein ganz profaner. „Viele probieren Bogenschießen im Urlaub aus oder sehen einen Robin-Hood-Film im Fernsehen und kommen dann zu uns“, erzählt Norbert Drapela. Der 62-Jährige ist Obmann des Bogensportclubs (BSC) Stockerau, der 2011 aus einer Abspaltung hervorging. Und seitdem auf der Sportanlage Alte Au das Geschäft mit Pfeil und Bogen betreibt, das Kinder wie Erwachsene und blutige Anfänger wie sportlich ambitionierte Fortgeschrittene gleichermaßen fasziniert.

„Es gibt zwei Gruppen von Bogenschützen“, weiß Drapela. „Die kleinere Gruppe ist die, die auf Scheiben schießt und möglichst viele Ringe sammeln möchte.“ Hier steht oft der sportliche Ehrgeiz im Vordergrund, sich zu verbessern oder Wettkämpfe zu bestreiten. Die überwiegende Mehrheit hat dagegen einen anderen Ansatz. „Das sind die Menschen, die ein paar Stunden in den Wald gehen und sich dabei an der frischen Luft bewegen wollen und zwischendurch auf Kunststofftiere schießen. Dabei sind es vor allem die Ruhe und die totale Konzentration, die die Menschen faszinieren. Wenn dann die ersten Erfolgserlebnisse dazukommen, rutscht man immer tiefer in das Thema hinein.“

3D-Parcours nennt sich das letztgenannte Vergnügen, das immer mehr „Hobbyjäger“ anzieht, die sich eine Auszeit vom stressigen Alltag gönnen wollen. Dabei sind die Tier-Attrappen ihren Originalen möglichst ähnlich gestaltet, was das Gefühl, auf der Pirsch zu sein, noch untermauert. „Je nach Größe der Zieltiere richtet sich auch der jeweilige Abstand des Schützen“, erklärt Drapela. „Auf einen großen Hirschen beispielsweise schießt man nicht aus zehn Metern, sondern aus 30 bis 50 Metern, je nach Erfahrung und Alter des Schützen.“

Überhaupt sei es ein Sport für die ganze Familie, da generell – auch beim Schießen auf Scheiben – mit Bögen und Abständen viel variiert und ausgeglichen werden kann. Insgesamt gibt es fünf Bogenklassen, von der Ursprungsvariante mit Holzpfeilen bis hin zum ultra-modernen und auch olympischen Compoundbogen, „der alle möglichen Helferleins hat“, wie Drapela erzählt. Visiere unterstützen beim Zielen, vergleichbar mit Kimme und Korn beim Gewehr. Bis zu 90 Meter (weiteste Distanz beim Sportschießen) kann man mit diesem Gerät überbrücken, die Zugkraft ist dementsprechend hoch, die Flugbahn relativ gerade. „Das macht es vor allem zu Beginn einfacher.“

Bogenschießen als ordentliche Belastung

Mitglieder des Bogensportclubs Stockerau vor Zielscheiben.
Seit seiner Gründung vor elf Jahren wird der BSC Stockerau von der örtlichen Raiffeisenbank unterstützt. (c) BSC Stockerau

Wobei man den sportlichen Aspekt gerade beim Turnierschießen nicht unterschätzen sollte. „Man muss kein Marathonläufer sein, aber eine gewisse Kondition ist schon vonnöten“, sagt Drapela. Um die 150 Pfeile werden an einem Tag gespannt und abgeschossen und dabei jedes Mal 15 bis 20 Kilo an Zugkraft aktiviert. Auch wenn das Eigengewicht des Bogens mit drei bis vier Kilo sehr leicht ist, kommt schon eine ordentliche Belastung zusammen.

Drapela weiß das aus eigener Erfahrung. In seiner aktiven Karriere gewann er vier österreichische Meistertitel und heimste fünf Landesrekorde ein. Damit ist er der erfolgreichste Sportler des BSC, der seit seiner Gründung vor elf Jahren von der Raiffeisenbank Stockerau unterstützt wird. Vor allem wenn es um Events und Turniere geht, greift die gewachsene Partnerschaft. Das wurde vergangenes Jahr sichtbar, als der Verein (gemeinsam mit dem ebenfalls in Stockerau ansässigen Klub UBSC Artemis) zum zehnjährigen Jubiläum die österreichischen Meisterschaften ausrichtete. Mehr als 100 Athleten aus dem ganzen Land kamen nach Niederösterreich, um ihre Besten zu küren. „Das war auch für die Gastronomie in der Umgebung durchaus erfreulich, die Wertschöpfung konnte sich sehen lassen“, sagt Drapela.

Zukunftsmusik

Mit seinem Klub hat er auch in den kommenden Jahren noch einiges vor. Er träumt von einer eigenen Halle, in der man den (je nach Saison) 50 bis 90 Mitgliedern ermöglichen kann, auch im Winter durchgehend zu schießen. Zwar mietet man sich aktuell in der Millenniumshalle in Stockerau ein, mehr als zwei Einheiten pro Woche sind dort aus Zeitgründen aber nicht möglich. „Viel zu wenig, wenn man auf österreichischem oder gar auf europäischem Top-Niveau agieren will“, so Drapela. Derzeit ist er mit Unterstützern und Firmen in Gesprächen, viel soll auch im Do-it-yourself-Modus erledigt werden. „Viele unserer Mitglieder sind handwerklich geschickt und können anpacken.“

Und wenn es eine Halle gibt, soll dort auch ein sogenanntes 3D-Schießkino installiert werden. Bei diesem werden für ein paar Sekunden Tiere an die Wand projiziert, hinter denen Zielscheiben hinterlegt sind. Drapela: „Man muss schnell reagieren und versuchen, das Tier so gut wie möglich zu treffen, am Ende gibt es eine Auswertung, um die Ergebnisse vergleichen zu können. Eine unterhaltsame und spannende Variante.“

Doch das ist Zukunftsmusik. In diesen Tagen wird in der Alten Au die komplette Anlage wieder hergerichtet, um die Outdoor-Saison zu eröffnen. „Dann kann wieder draußen von Sonnenauf- bis -untergang geschossen werden.“ Ein Highlight der Saison wird auch dieses Jahr wieder das Robin-Hood-Turnier sein, bei dem sich die Schützen verkleiden und das Gelände in den Wald von Nottingham verwandeln. „Dieses Event hat bei uns einen riesigen Stellenwert“, sagt Drapela. „Eine spaßige Sache, die aber von allen mit dem nötigen Ernst betrieben wird.“ Und eine perfekte Gelegenheit für Neueinsteiger, sich den Sport mit Pfeil und Bogen aus nächster Nähe anzuschauen.

Alle Infos zu Trainingsmöglichkeiten und Terminen gibt es auf der Website des BSC Stockerau.