Aus der Breite in die Spitze

Die Judo Union Raiffeisen Flachgau hat Olympia-Helden wie Lupo Paischer hervorgebracht und gehört seit Jahrzehnten zu den Spitzenvereinen in Österreich. Nach Jahren des Umbruchs will man wieder voll angreifen und nach dem Höchsten streben.

Zwei Judoka in Action
© ÖJV/Oliver Sellner

Normalerweise geraten Sportler und Funktionäre dann ins Schwärmen, wenn sie von erfolgreichen Wettkämpfen berichten können. Bei Karin Dorfinger, Obfrau der Judo Union Raiffeisen Flachgau, lag der Fall aber diesmal anders. „Endlich konnten wir wieder eine Bundesliga-Heimrunde vor unseren Zuschauern absolvieren, zum ersten Mal seit vier Jahren. Das hat sich großartig angefühlt“, zeigt sich die Funktionärin nach langer Corona-bedingter Fan-Abstinenz begeistert. Dass das Herren-Team bei dem Event am vorvergangenen Wochenende seine beiden Kämpfe verlor, konnte sie dabei verkraften. „Zum einen haben wir mit Galaxy Tigers Wien und Multikraft Wels die beiden Meister der Jahre 2021 und 2022 zu Gast gehabt. Zum anderen stecken wir immer noch etwas im Umbruch, weswegen wir damit rechnen mussten, dass nicht alles optimal läuft. Wir haben aber gesehen, dass wir durchaus mit den Top-Teams der Bundesliga mithalten können.“

Eine Erkenntnis, die Mut macht, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Corona und der Tod von Gerhard Dorfinger, Karins Vater und als Trainer eine Vereinslegende, setzten dem Klub in den letzten Jahren etwas zu, es musste umstrukturiert und im Trainersektor etwas Neues probiert werden. Dazu muss man wissen, dass Gerhard Dorfinger, nach dem auch die heimische Sporthalle kurz nach dessen Tod benannt wurde, viel mehr war als ein leidenschaftlicher Judo-Coach. Seit 1966 beim Klub aktiv, prägte er unter anderem die erfolgreichsten Jahre, als man zwischen 2005 und 2012 sieben von acht möglichen österreichischen Meistertiteln nach Straßwalchen holte. Dorfinger wurde zum Salzburger „Trainer des Jahres“ gewählt, der Klub war das Um und Auf im heimischen Judo-Sport. 

Silber bei Olympia

Eine Erfolgs-Ära, die allerdings auch darin begründet lag, dass man mit Ludwig „Lupo“ Paischer ein absolutes Top-Talent in seinen Reihen hatte. Dessen beeindruckende Erfolgs-Vita bei Welt- und Europameisterschaften wurde 2008 gekrönt, als er bei den Olympischen Spielen in Peking in der Klasse bis 60 Kilogramm die Silbermedaille holte. „Er ist sicher der erfolgreichste Athlet, den wir jemals hervorgebracht haben, auch wenn wir immer schon Olympia- und WM-Starter oder einen Athleten wie Militär-Weltmeister Max Schirnhofer bei uns hatten“, schwärmt Karin Dorfinger. „Lupo lebt heute beruflich erfolgreich in Japan, schaut aber immer bei uns beim Training vorbei, wenn er in Österreich ist. Außerdem telefonieren wir regelmäßig, da er uns gerne dabei hilft, wenn es darum geht, starke Legionäre zu verpflichten.“

Das scheint vor dieser Saison auch wieder gelungen zu sein. Aus den Niederlanden wurde der Weltranglisten-Erste (bis 100 Kilo) Michael Korrel geholt, auch wenn der am ersten Kampftag noch passen musste. „Dafür war Krisztián Tóth da, ein Ungar, der in der Klasse bis 90 Kilogramm schon WM- und Olympia-Bronze gewonnen hat“, sagt Dorfinger. „Ein richtig guter Typ.“ Genauso wie der Vorarlberger Laurin Böhler, der nach langer Verletzungspause wieder fit und gut in Form ist. „Ich denke, wir haben eine ganz gute Mischung aus international erfahrenen Top-Athleten und starken Eigengewächsen am Start“, so Dorfinger, die bei den Zielen einen gesunden Mittelweg anpeilt. „Die besten vier der insgesamt neun Bundesliga-Teams erreichen am Ende der Saison das Final-Four-Turnier, bei dem es dann um den Titel geht – da wollen wir dabei sein.“

Zwei Judoka in Action
© ÖJV/Oliver Sellner

Steigende Nachfrage

Um eines Tages auch wieder ganz oben auf dem Treppchen zu stehen, setzt man auf eine gute Ausbildung und darauf, dass man es schafft, hoffnungsvolle Talente zu gestandenen Judo-Kämpfern zu machen. „Aus der Breite in die Spitze“, lautet das Motto des Klubs. Insgesamt ist bei der Judo Union die beeindruckende Zahl von 126 aktiven Judokas am Start, viele davon im Kinder- und Jugendbereich. Und während viele Sportvereine lamentieren, dass man junge Menschen heute nicht mehr für den Sport und das Vereinsleben begeistern kann, ist die Sachlage in Straßwalchen eine andere. „Wir überlegen derzeit, einen weiteren Anfängerkurs anzubieten, da die Nachfrage so groß ist“, sagt Dorfinger. Und erklärt, warum gerade die asiatische Selbstverteidigungs-Sportart „so genial ist. Schüchterne Kinder lernen, auf andere zuzugehen, hyperaktive Kinder können sich in einem festen Rahmen austoben, übergewichtige Kinder können sich mit gleich schweren in einer Gewichtsklasse messen. Es ist ein Sport für wirklich jeden.“

Apropos profitieren: Zu den Vereins-Prinzipien gehört seit Jahrzehnten, immer wieder Gäste von anderen Klubs einzuladen und bei sich mittrainieren zu lassen. Das können Vereine aus der Umgebung, aber auch welche aus dem Ausland sein. „Wir wollen nicht immer nur in unserem eigenen Saft schmoren, sondern davon profitieren, dass es Input von außen gibt. Was ja auch für unsere Gast-Sportler einen Vorteil bringt, die wiederum von unserer qualitativ hochwertigen Ausbildung einen Nutzen ziehen können.“ So wird ein System erschaffen, bei dem es nur eine Frage der Zeit sein soll, bis die neuen Lupo Paischers die großen Matten des Sports betreten. 

Löwenstarker Einsatz

Was sich in den vergangenen Jahren dagegen nicht geändert hat, ist die starke Kooperation zwischen der Judo Union und dem Salzburger Raiffeisenverband, der bereits seit 2002 als Haupt- und auch als Namenssponsor fungiert. Also ab dem Zeitpunkt, als aus einer Sektion des SV Straßwalchen ein eigenständiger Verein wurde. „Es ist nicht einfach nur eine Zusammenarbeit, wir tauschen uns auch regelmäßig aus und können dabei über alles reden“, freut sich Dorfinger, deren Tag manchmal mehr als 24 Stunden haben müsste, um alles unterzubringen.

Die Volksschul-Direktorin ist nämlich nicht nur Obfrau und Trainerin in Sraßwalchen, sondern auch noch Vizepräsidentin des Salzburger Judo-Verbandes und stellvertretende technische Direktorin beim österreichischen Verband. Dabei weiß sie immer ganz genau, wovon sie spricht, war sie doch selbst eine durchaus erfolgreiche Kämpferin. „Allerdings war meine Schwester Christine noch besser als ich“, gibt sie sich bescheiden und verweist auf das erstaunliche Family Business bei den Dorfingers. „Bei mir hat es zwar zu ein paar nationalen Titeln und EM-Teilnahmen gereicht, dort habe ich es aber nicht aufs Stockerl geschafft.“ Dafür kämpft sie jetzt wie eine Löwin, dass Judokas aus ihrem Klub so weit wie möglich nach oben kommen.